Full text: Die Geschichten des sächsischen Volks

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tcrlistig, grausam; die Sachsen also konnten nicht einse- 
hen, warum sie ihre Religion mit einer andern vertauschen 
sollten, die die Menschen nicht besser machte. Bei den 
Sachsen war jeder freie Mann unabhängiger Herr auf 
seinem Grunde und Boden, er gehorchte nur den Gesetzen, 
die die Volksgemeinde gegeben hatte, und im Kriege einem 
selbstgewählten Heerführer. Bei den Franken gebot der 
König, oder in seinem Namen der Herzog oder Graf, bei 
den Sachsen war der Grundbesitz von allen Abgaben frei, 
bei den Franken mußte er den Zehnten von allen sei¬ 
nen Feldfrüchten an die Kirche zahlen. Wie hätten die 
Sachsen ihren Zustand mit dem der Franken vertauschen 
mögen? Die herrlichen Lehren und großen Wohlthaten des 
Christenthums konnten sie nicht begreifen, denn die unwis¬ 
senden fränkischen Priester kannten sie selbst nicht, und 
waren daher auch nicht im Stande, sie Andern zu verkün¬ 
digen. Außerdem sollten die Sachsen sich vielen Vorschrif¬ 
ten unterwerfen, deren Nutzen sie nicht einsahen. Sie wa¬ 
ren in allen ihren Sitten und Gebräuchen, in ihrem Glau¬ 
ben und Aberglauben ihren Vorfahren, den alten Deut¬ 
schen, treu geblieben, weil sie sich wohl und glücklich da¬ 
bei befunden hatten, und ihre Beharrlichkeit gereicht ihnen 
zur Ehre; denn ein Volk, welches leichtsinnig und ohne 
Schwierigkeit althergebrachte Sitte, Regierung und Glau¬ 
ben wechselt, und seine Selbstständigkeit nicht mit Gut und 
Blut vertheidigt, das geht rühmlos unter und sein Anden¬ 
ken erlischt unter den Lebendigen. Nachdem die Sachsen 
länger als zwei Jahrhunderte ihre Unabhängigkeit gegen 
die Franken vertheidigt, und diesen ihren Erbfeinden gar 
oftmals die Grenzländer verheert hatten, bot endlich im 
Jahre 772 Karl der Große die ganze Streitkraft seines 
Reichs auf, um sie zu überwältigen. Ihn trieb dazu keine 
bloße Kriegslust oder Ländergier, sondern die Nothwendig- 
keit, nemlich die Sorge um die Ruhe und Sicherheit sei¬ 
nes Reiches. Alle Deutsche waren den Franken un¬ 
terworfen, gaben den Zehnten, leisteten die Heeresfolgen 
und wurden auf fränkische Art regiert, nur die Sach¬ 
se n allein waren keinem Fremden unterworfen und leisteten 
weder Dienste noch Abgaben. Daß die unterworfenen Völ¬ 
ker, die Schwaben, Baiern und Thüringer eben so
	        
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