220
21. Die polnische Revolution.
ten. Der Erfolg ihrer Unterredung war vorherzusehen. Nikolaus
verlangte unbedingte Unterwerfung: er denke nicht daran, mit seinen
empörten Unterthanen sich in Unterhandlungen einzulassen. Anfangs
Januar 1831 verließ der Graf Jezierski Petersburg — der andere
Abgesandte, Fürst Lubecki, blieb daselbst zurück. Am 15. langte
jener in Warschau an. Auf dem Wege dahin bemerkte er allenthalben
die Märsche der russischen Truppen. Die Nachrichten, welche er mit¬
brachte, ließen keinen Zweifel mehr übrig, daß eine Aussöhnung
mit dem Kaiser nicht mehr möglich sei. Chlopicki berief sogleich
den Nationalrath und sein Ministerium, theilte die erhaltenen Nach¬
richten mit und — schlug die vom Kaiser verlangte Unterwerfung
vor. Aber daran war bei der Stimmung der Nation nicht mehr
zu denken. Chlopicki erklärte daher, daß er die Dictatur niederlege,
und wies den ihm angebotenen Oberbefehl über das Heer ab.
Es war jetzt vor Allem nöthig, einen neuen Feldherrn und eine
neue Regierung zu ernennen. Die Kammern waren schon von Chlo¬
picki auf den 19. Januar 1831 einberufen worden. Gleich am
20. Januar beschäftigten sie sich mit der schwierigen Wahl eines
Oberfeldherrn. Zuletzt vereinigten sich die Stimmen auf den Für¬
sten Radziwill, der zwar unbedeutend war, von dem man aber
wußte, daß er mit Chlopicki gut stehe und sich von diesem die nö-
thigen Rathschläge ertheilen lassen werde. Die Nachricht von dem
Anmarsche der russischen Truppen benutzte die Bewegungspartei, um den
Reichstag zu einem entscheidenden Schritte zu stimmen. Auf den
Vorschlag Roman Soltyk's wurde am 25. Januar 1831 vom Reichs¬
tage der polnische Thron für erledigt erklärt und eine neue Regie¬
rung von fünf unverantwortlichen Männern mit Czartoryski als
Präsident ernannt. Von diesen gehörten vier der gemäßigten, nur
Lelewel der demokratischen Partei an. Die fünf Herren hatten alle
Rechte, welche nach der Verfassung dem Könige zukamen, mit Aus¬
nahme der Bestätigung oder Verwerfung der Reichstagsbeschlüsse,
der Entscheidung über Krieg und Frieden, der Ernennung der Mit¬
glieder der ersten Kammer, welche Rechte alle den Landboten Vorbe¬
halten wurden, und endlich der Bestimmung der Kriegsoperationen,
welche nur dem Oberfeldherrn zukam. Die erste Phase der Revolution
war vorüber: jetzt konnten nur noch die Waffen entscheiden.
o. Die Kriegsbegebenheiten.
Die polnische Armee (80,000 Mann), tapfer und begeistert, er¬
setzte durch die Vaterlandsliebe, von welcher sie erfüllt war, das, was
ihr an Stärke und Zahl abging. Aber es fehlte ihr an einer ge¬
schickten Leitung. Den Oberbefehl führte dem Namen nach Fürst
Radziwill, allein im Wesentlichen leitete Chlopicki die Bewegungen,
aber auch er war dieser Aufgabe nicht gewachsen. Er verzweifelte
von vornherein an einem glücklichen Ausgange des Krieges und