21. Die polnische Revolution.
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meinte, die polnische Armee hätte nichts weiter zu thun, als vor den
Mauern von Warschau eine Hauptschlacht gegen die Russen zu lie¬
fern, um wenigstens die Ehre der Waffen zu retten: die Schlacht
würde aber verloren gehen und mit ihr die Revolution. Aus dieser
Anschauung Chlopicki's erklärte sich, warum von den Polen gar
nichts geschah, um den Russen das Einrücken über ihre Grenzen zu
verhindern.
Der russische Anführer, Feldmarschall Diebitsch, hatte den
Plan, geradezu auf Warschau loszugehen, wo er die Polen zu
sprengen, die Stadt zu nehmen und auf diese Weise den Krieg mit
einem Schlage zu beendigen gedachte. Am 5. und 6. Februar 1831
ging das ganze russische Heer (118,000 Mann) auf eilf verschiedenen
Punkten über die Grenze, und folgte den sich zurückziehenden pol¬
nischen Truppen auf dem Fuße. Am 19. Februar kam es bei
Wawer zur ersten Schlacht. Anfangs war der Sieg auf Seite der
Polen, doch ward er ihnen wieder entrissen, als die Russen neue
Verstärkung erhalten. Am 20. erneuerte sich der Kampf bei Gro-
chow, ohne daß er jedoch zu einer Entscheidung geführt hätte. Die
Polen nahmen eine feste Stellung bei Grochow ein.
Diebitsch war inzwischen in der Nähe von Warschau angekommen
und gedachte am 25. Februar die Hauptschlacht zu liefern. Er mochte
70.000 Mann stark sein, die Polen 45,000. Der Schlüssel der
polnischen Stellung war ein Erlenwäldchen vor Grochow, um wel¬
ches von früh 9 bis 2 Uhr Nachmittags gestritten wurde. Dreimal
nahmen es die Russen, dreimal wurden sie zurückgeworfen. Endlich
raffte Diebitsch an 36 Bataillone zusammen und führte sie selber
gegen den Feind. Vor dieser Uebermacht mußten sich endlich die
Polen, welche bis auf den Tod erschöpft waren, zurückziehen. Die¬
bitsch wollte diesen Augenblick benutzen, um sie vollends auseinander
zu sprengen. Er ließ die Reiterei gegen sie voranrücken. Aber der
Boden war für dergleichen Evolutionen nicht günstig. Die Spren¬
gung der polnischen Linie mißlang: im Gegentheil, die russische Rei¬
terei erlitt beträchtliche Verluste und die Polen zogen sich noch in
guter Ordnung bis Praga und Warschau zurück. Die Schlacht bei
Grochow war ungemein blutig gewesen. Die Russen verloren gegen
12.000 Mann, die Polen ungefähr die Hälfte. Letztere konnten sich
indessen doch nicht verhehlen, daß sie geschlagen worden seien, und
dies verursachte eine augenblickliche Entmuthigung. Ein entschiedenes
mächtiges Vordringen Diebitsch's bis Praga noch in derselben Nacht,
wie es der Chef des russischen Generalstabs, Graf Toll, angerathen,
hätte vielleicht der Schlacht eine entscheidende Folge gegeben. Aber
Diebitsch hatte seine guten Gründe, warum er den Kampf nicht
fortsetzte. Den Uebergang über die Weichsel konnte er wegen des
eingetretenen Thauwetters nicht mehr bewerkstelligen; auch fehlte es
ihm an dem nöthigen Schießbedarf: er mußteerst auf neue Zufuhren
warten.