Full text: Die Geschichte der letzten 50 Jahre

6. Frankreich zur Zeit der sog. Restauration. 
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aller Kraft betreiben zu müssen. Sie hoffte durch den Glanz des 
Kriegsruhmes die französische Nation, die so empfänglich für der¬ 
gleichen Vorderen ist, mit sich anssöhnen und zugleich in den nach 
Algier entsendeten siegreichen Truppen ein Heer heranziehen zu kön¬ 
nen, welches bereit sei, alle ihre Entwürfe auszuführen. So wurde 
denn am 20. April 1830 an den Dey von Algier der Krieg erklärt, 
und Ende Mai's ging die französische Flotte unter Segel, an Bord 
38,000 Mann führend, unter dem Oberbefehle des Kriegs-Ministers, 
Generals Bourmont, der sich in Algier den Marschallsstab erkämpfen 
sollte. Die Unternehmung glückte vollkommen. Am 19. Juni wurde 
die französische Armee von den Arabern, ungefähr 40,000 Mann, 
in ihrem Lager angegriffen, der Angriff znrückgeschlagen, das Lager 
der Araber erstürmt und das ganze Heer in die wildeste Flucht 
gejagt. Am 4. Juli begann der Hauptsturm auf Algier, der mit so 
großem Erfolge geleitet wurde, daß der Dey sich sofort zur Ueber- 
gabe entschloß. Am 5. Juli befanden sich die Franzosen im Besitze 
der Stadt und Festung: 1500 Kanonen, 70 Kriegsfahrzeuge uud ein 
Schatz von 70—80 Millionen Fr. fielen in ihre Hände. Der Dey 
wurde auf seinen Wunsch nach Neapel gebracht. 
So glücklich nun auch diese Unternehmung gegen Algier ausge¬ 
fallen war, so täuschte sich doch die französische Regierung ganz 
gewaltig in den von ihr gehofften Wirkungen. Die Franzosen 
ließen sich durch den unter der weißen Fahne erworbenen Kriegsruhm 
nicht irre machen, die inneren Zustände scharf im Auge zu behalten 
und alle Kräfte anzustrengen, um ihre Freiheit zu behaupten. Die 
Dankseste, welche Karl X. zur Feier seines Sieges veranstalten ließ, 
fanden beim Volke keine Theilnahme. Dagegen betheiligte sich das 
Volk mit dem größten Interesse an den vorzunehmenden Wahlen. 
Alle Versuche der Negierung, die Mehrheit der Wahlen in ihrem 
Sinne ausfallen zu machen, scheiterten an der Thätigkeit der Vereine. 
Von den 221 Abgeordneten, welche für das Mißtrauens-Votum gegen 
das Ministerium Polignac gestimmt, wurden 207 wieder gewählt. 
Ueberhaupt ergaben sich 272 liberale Wahlen, während das Mini¬ 
sterium nur 145 durchbringen konnte. 
Die Nation hatte gesprochen. Es fragte sich, ob sich die Regie¬ 
rung eine Lehre daraus nehmen wolle. Die Camarilla drängte den 
König vorwärts: sie glaubte, jetzt sei der rechte Zeitpunkt gekommen, 
um rücksichtslose Energie zu zeigen. Die Mehrzahl der Minister war 
ihrer Meinung. Man wollte vor Allem die Preßfreiheit aufheben, 
die Kammer noch vor ihrem Zusammentritte auflösen und ein neues 
Wahlgesetz octroyiren. Am 26. Juli erschienen die desfallsigen Ver¬ 
ordnungen im Moniteur. Die erste hob die Gesetze ans, welche die 
Freiheit der Presse verbürgten, rief die Verfügungen vom 21. October 
1814 wieder ins Leben und legte jedem Journale die Bedingung 
auf, nicht ohne königliche Bewilligung erscheinen zu dürfen. Die 
zweite Verordnung sprach die Auflösung der Kammer aus, noch ehe
	        
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