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3m Jahre 534 v. Chr. bestieg Tarquiuius Snperbus den
Thron. Durch Ermordung seines Vorgängers (und Schwiegervaters)
hatte er sich gewaltsam des Thrones bemächtigt, ohne die Wahl und Be¬
stätigung abzuwarten. Um sich als eigenmächtiger Gebieter-zu schützen,
umgab er sich mit einer bewaffneten Leibwache von Ausländern. Er
versuchte darauf die Unterwerfung einiger benachbarten Völker, wurde
aber bei der Belagerung von Ardsa durch einen Anfstand in Rom
seiner Würde entsetzt und vertrieben. Die Veranlassung hierzu war
ein Frevel, den sein jüngster Sohn Sextus gegen Lukretia, die tugend¬
hafte und allgemein geachtete Frau des Collatinns, verübte. Das
Volk, empört über die Gewaltthat und müde der tyrannischen Re¬
gierung des Königs, sagte letzterem den Gehorsam auf und verbannte
die Königsfamilie (509).
Die Götterlehre der Römer stimmte im Allgemeinen mit der
griechischen überein (§. 9). Den Gottesdienst besorgten Priester und
Priesterinnen, an deren Spitze der Pontifex ma^imns stand. Die
vestatischen Iuugsrauen mnßten ehelos bleiben und im Tempel der
Vesta das heilige Feuer unterhalten. Der Gottesdienst der Römer
bestand aus Gebeten, Opfern uud Festen. Die Opfer* waren theils
Mutig, theils unblutig; erstere waren nicht so häufig, wie bei den
Griechen. Menschenopfer, wenn es ja deren bei den Römern gab,
waren feit Numa nicht mehr im Gebranch. — Die Erforschung der
Zukunft lag den Römern sehr am Herzen: es beschäftigten sich damit
die Auguren auch die Haruspices oder Opferfchauer, welche die
Eingeweide der getödteten Thiere ihrer Untersuchung unterzogen. In
wichtigen Fällen wurden die sibyllinischen Bücher,*) die angeblich
die Geheimnisse der Zukunft enthielten, um Rath gefragt. — Kein
wichtiges Geschäft pflegten die Römer vorzunehmen, ohne religiöse
Ceremonien und ohne Befragung der Götter, deren Willen sie durch
Beobachtung des Vogelsluges, des Donners und Blitzes u. f. w. zu
erkennen suchten.
*) Diese Bücher enthielten Weissagungen, welche dann und wann prophe¬
tische Frauen, die man Sibyllen nannte, ausgesprochen hatten; daher wurden sie
sibyllinische Bücher genannt.