102 Carl's Einrichtungen zur Verwaltung des Reichs.
amten in denselben zu beaufsichtigen, etwaige Klagen gegen sie anznbören,
alle Beschwerden abzustellen, ein Gericht (placilmn) zu halten, um strei¬
tige oder nicht entschiedene Rechtsfälle zu erledigen, die königlichen Do¬
mänen sowohl wie die Kronlehen zu besuchen und über die Erhaltung der
Brücken und Wege, so wie über das Münzwesen zu wachen. Nach ih¬
rer Rückkehr waren sie gehalten, einen Bericht über den Zustand der
Provinz, die sie bereiset hatten, abzustatten, der aus den allgemeinen
Versammlungen mitgetheilt wurde.
2. Doch nicht allein durch die Sendböten erhielt Carl fortwährend
Bericht über den Znstand seiner Länder, sondern er unternahm auch
selbst nicht selten Reisen durch die einzelnen Provinzen seines großen
Reichs, um Alles selbst zu sehen und zu prüfen. Jährlich wurden zwei
große Reichsversammlnngen (Maifeld) gehalten, auf welchen mit den
Bischöfen, den Aebtcn und dem Adel (Reichsständen) alle wichtigen An¬
gelegenheiten berathen, heilsame Beschlüsse gefaßt und Gesetze und Ver¬
ordnungen gegeben wurden. Diese Reichöverorduungen wurden wegen
ihrer Eintheilung in Capitel „Capitularien" genannt und beziehen sich
eben so sehr auf Verwaltung, als auf Gesetzgebung.
3. Die Volksgerichte wurden in jeder Grafschaft unter dem Vor¬
sitze des Grafen von den Schöffen, d. i. einer Anzahl freier Bewohner
der Grafschaft gehalten, welche das Volk selbst wählte. Jedoch konnte
von dem Spruche dieses Gerichts an die königlichen Sendgrafen und von
diesen an den König selbst oder seine Pfalzgrafen appellirt werden.
4. Seine Kriege führte Carl durch den Heerbann. Sowie jeder
Freie das Recht hatte, Waffen zu tragen, so war auch außer den Va¬
sallen jeder Freie zum Kriegsdienste verpflichtet, der drei bis vier Hu¬
fen Grundeigenthum besaß, und zwar so, daß er für seine Bewaffnung
selbst sorgen und drei Monate taug sich selbst unterhalten mußte. Miu-
der Begüterte mußten zusammentreten und auf gemeinschaftliche Kosten
einen Mann zum Kriegsdienste ausrüsten und drei Monate lang unter¬
halten. Die Geistlichen waren vom Kriegsdienste befreiet, schickten aber
ihre Vasallen zum Heere.
Biele Freie begaben sich, um der Pflicht des Kriegsdienstes zn entgehen, in die
Lehnsabhängigkeit des Adels. Das Lehnshcer, welches in Folge der Lehnspflicht die¬
nen mußte, wurde bald der Ha iptbcstandthcil des Heeres und ersetzte nach und noch
das nationale Heer. Die Zahl der Krieger, sowie die Zeit des Dienstes richtete sich
für den Lehnsmann nach der Größe und Wichtigkeit des Lehens, welches er vom Kö¬
nige hatte. Wenn der Heerbann nicht versammelt war, hatte Carl stets eine ihm
besonders verpflichtete Schaar Krieger um sich versammelt.
5. Die größte Sorgfalt und Fürsorge widmete Carl der Religion
und der Wissenschaft. Der Clerus, namentlich der höhere, Bischöfe und
Aebte, nahmen im fränkischen Reiche eine hohe und einflußreiche Stel¬
lung ein. Carl gestattete diesen die Theilnahme an den Staatsgeschäf¬
ten und verlieh ihnen Sitz und Stimme auf den Reichstagen. Er vcr-
ordnete, daß der Zehnte regelmäßig an die Kirchen entrichtet wurde, in¬
dem er festsetzte, "daß ein Drittel desselben zur Unterhaltung der Geist¬
lichen, ein Drittel zum Kirchenbaue und ein Drittel zur Unterstützung
der Armen und Pflege der Kranken verwendet werden solle. Die Fröm¬
migkeit des Volkes, zahlreiche Schenkungen sowie die Befreiung von der
weltlichen Gerichtsbarkeit vermehrten bald das Ansehen und den Reich¬
thum des Clerus, der sich seiner Vorrechte durch frommes Leben und
wissenschaftliches Streben würdig zeigte. Die Geistlichen waren damals
fast im alleinigen Besitze wissenschaftlicher Bildung.