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2 Europa'- früheste Bevölkerung.
2. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach war das mittlere Asien der Ursitz
des indogermanischen Stammes. Von dort aus ergoß sich ein Theil der
Bevölkerung über die zunächst nach Süden und Südwesten gelegenen Land¬
schaften, über Indien und Persien, wahrend andere Massen, unter welchen
die genannten zehn Völkerstämme, eine nordwestliche Richtung nahmen, und
in einer Zeit, über welcher tiefes Schweigen ruht, allmälig in Europa ein¬
drangen. Diese Einwanderung hat vermuthlich ungefähr in der angegebenen
Reihenfolge stattgefunden. Denn je weiter gegen Abend wir ein Volk vor¬
gedrungen finden, desto früher wird es sich in Bewegung gesetzt haben.
Der Haufe, der nach Westen hin aufbrach, war anfangs klein; aber je wei¬
ter er vorrückte, zu desto größerer Masse wuchs er heran. Gönnte er sich
irgendwo Ruhe und Rast, so brachten ihn nachrückende Schwärme, wenn
auch erst nach langen Zwischenräumen, von neuem in Bewegung und dräng¬
ten ihn vorwärts weiter nach Westen bin. Dieser Drang muß in der
Mitte und im Herzen Europa's am stärksten gewaltet haben; denn einzelne
Völker, Griechen und Römer, die seitwärts nach Süden hin schmale Halb¬
inseln erreicht hatten und deshalb dem Gedränge der nachrückenden Völker
weniger ausgesetzt waren, gelangten schnell zu bedeutender Entwicklung und
erlagen erst, als sich später der Zug der Völker in der Mitte Europa's
nach Süden wandte.
3. Wann die genannten Völker cingewandert sind, weiß niemand. Alles,
was von ihnen unsere Geschichte nennt und kennt, mag schon zwischen zwei¬
tausend und tausend Jahren vor Ehr. in Europa einheimisch gewesen sein.
Ob dasselbe vorher waldbedeckt und unbewohnt war, oder ob andere Völker¬
stämme in demselben lebten, kann Niemand entscheiden. Aus dem Dunkel,
das Europa's früheste Schicksale und Zustände unseren Blicken verhüllt,
tauchen zuerst die in den südlichen Theil der olympischen Halbinsel einge¬
wanderten Griechen um 1800 vor Ehr. hervor, und erst ein Jahrtausend
später die Römer, deren Sprache als ebenbürtige Schwester, nicht als Toch¬
ter der griechischen zu betrachten ist. Doch hat Italien sicher schon lange
vor Nom's Erbauung (754) und auch eher als Griechenland, da es weiter
nach Westen liegt, seine Bevölkerung erhalten, unter welcher außer den
Sikulern, Japyger, Latiner, Umbrer, Marser, Samniter und Tusker in
Betracht kommen.
4. Das dritte Hanptvolk, die Kelten oder Gallier, von den Griechen
auch Galater genannt, hatte zur Zeit der Blüthe seiner Macht, welche in das
sechste, fünfte und vierte Jahrhundert vor Ehr. fallen muß, außer Gallien
auch Theile von Oberitalien, Deutschland und Spanien im Besitz. Griechische
und römische Geschichtschreiber lassen auch Kelten in Jllyrien, Macedonien,
Thrazien, ja sogar im asiatischen Scythien auftreten. Waren diese wirklich
eines Stammes mit den westlichen Kelten, so ist es wahrscheinlicher, daß
sie bei der Einwanderung im Osten zurückgeblieben, als von Westen aus
dahin zurückgewandert sind. In den letztem Jahrhunderten vor Ehr. war
die Macht der Kelten schon gebrochen und sie erliegen allmälig auf der ei¬
nen Seite den Römern, auf ver andern den Germanen.
Vor den Kelten waren schon die Iberer eingewandert und von jenen
nach Süden in die pyrenäische Halbinsel gedrängt. Die baskische Sprache
ist Alles, was sich von ihnen erhalten hat.
Ebenso waren die Finnen schon lange vor den Kelten nach Europa
gezogen und von ihnen und nachrückenden Völkern weit nach Norden ge¬
schoben sein. Ihre Sprache weicht nämlich von der den übrigen europäischen
Sprachen gemeinsamen Urverwandtschaft so bedeutend ab, daß man schon