12 Die Germanen werden Grenznachbarn der Römer.
fielen die Weiber, welche auf den Wagen standen, über sie her und mor¬
deten hier ihre Männer, dort ihre Brüder, anderswo ihre Väter; und
als jede Hoffnung auf Rettung verschwand, metzelten sie ihre Kinder
nieder oder warfen sie unter die Räder der Wagen und tödteten endlich
sich selbst auf gräßliche Weise, um der Schmach der Gefangenschaft zu
entgehen.
Das war das Ende der schrecklichen Cimbern. Marius, der fünf¬
mal nach einander das Consulat verwaltet hatte, feierte in Gemeinschaft
mit Catulus einen glänzenden Triumph; das Volk nannte ihn den drit¬
ten Stifter der Stadt und selbst seine Feinde mußten einräumen, daß
ihm die Rettung des römischen Staates zu verdanken sei. Und in der
That hat dieser Mann nicht allein Rom gerettet, sondern auch Kunst
und Wissenschaft und alles Große und Schöne, was aus Rom auf uns
gekommen ist. Die Cimbern und Teutonen verschwinden von da an aus
der Geschichte, wenn auch cimbrischer Schrecken und cimbrisches Kriegs¬
geheul noch lange im Gedächtnisse der Römer fortlebten. Ein halbes
Jahrhundert verging nach der Niederlage der beiden Völker, bis die
Römer mit germanischen Stämmen wieder in Berührung kamen. Da¬
her herrscht über diese Zeit in Bezug auf die Germanen wiederum tie¬
fes Schweigen.
§. 5. Die Germanen werden nach Eroberung Galliens Grcnznachbarn der
Römer.
1. Kaum waren die Cimbern vernichtet und damit die Furcht vor
äußern Feinden, als im Innern des römischen Staates die alten Leiden¬
schaften, welche der cimbrische Schrecken bis dahin niedergehalten hatte,
auf's neue und mit größerer Heftigkeit hervorbrachen. Fast ein halbes
Jahrhundert hindurch war Rom und Italien der Schauplatz von Ver¬
brechen und Greuelthaten jeglicher Art. Nach mehreren Ausständen der
Sclaven, unter denen auch die gefangenen Cimbern und Teutonen und
deren Nachkommen waren, welche Rom mehrmals dem Untergange nahe
brachten, traten gewaltige Männer auf, von denen der eine den andern
zu vernichten und die Oberherrschaft in Rom zu erringen suchte. Der
erste dieser Männer war Marius, dem L. Cornelius Sulla entgegentrat,
wodurch ein greuelvoller Bürgerkrieg hervorgernfen wurde, der Tausen¬
den der Römer das Leben kostete und mehrere Jahre hindurch Italien
nebst andern Ländern mit Schandthaten und Abscheulichkeiten erfüllte,
vor denen jedes menschliche Gemüth zurückschaudert. Nachdem Marius
durch Sulla gestürzt und dieser im I. 72 eines jammervollen Todes ge¬
storben war, traten zwei andere Gewalthaber an ihre Stelle, L. Cnäus
Pomp ejus und Cajus Julius Cäsar, die sich bald, da sie einsahen, daß
keiner von beiden dem andern so leicht erliegen würde, in die Oberherr¬
schaft und in die römischen Provinzen theilten. Dem Cäsar sielen die
westlichen nebst Gallien zu, zu dessen Unterwerfung bis dahin kaum der
Anfang gemacht war. Aber in acht Jahren (58—50 v. Chr.) gelang
es ihm, ganz Gallien in eine römische Provinz zu verwandeln. Während
dieser Zeit stieß Cäsar nicht allein in Gallien auf germanische Stäm¬
me, sondern drang sogar zweimal über den Rhein in Deutschland vor.
Dadurch lernten die Römer, die nach der Unterwerfung Galliens Grenz¬
nachbarn der Germanen worden waren, die letztem näher kennen und
haben uns von dem damaligen Leben und Treiben der Germanen ge¬
nauere Kunde hinterlassen. Hören wir, was sie berichten.