Joseph II.
r>rs
und am 3. April feierlich gekrönt. Im darauf folgenden Jahre starb
Kaiser Franz I. unerwartet am Schlagflnsse zu Innsbruck. Der rö¬
mische König nahm nun den Titel „Kaiser" an, und wie Franz I. Mit¬
regent der Erbstaaten der Kaiserin gewesen war, so berief Maria The»
resia nun auch ihren Sohn zu demselben Amte. Sie übertrug ihm
zwar die oberste Leitung des Kriegswesens, aber die eigentliche Re-
gierung blieb in ihren Händen. Sie wählte mit großem Scharfsinne
ihre Rathgeber, und traf viele zweckmäßige Einrichtungen. Die Ver-
waltnngsbcbörden wurden zweckmäßiger organisirt, die Rechtspflege ver¬
einfacht, eine neue Ordnung in das Finanzwesen gebracht, die Tortur
abgeschafst, die Leibeigenschaft gemildert und Anstalten für Hebung des
Handels, Gewerbefleißes und der Wissenschaften getroffen? Dadurch
wurde der Wohlstand und die Macht Oesterreichs bedeutend gehoben
unb die Kaiserin wußte auch niit Muth und Nachdruck Oesterreichs
Stellung unter den Mächten Europa's gegen ihre anfangs zahlreichen
Feinde zu behaupten.
2. Joseph II. besaß manche schöne Anlagen deö Herzens, aber
keine ausgezeichnete Geisteskräfte; dennoch erwarb er sich vielseitige
Kenntnisse, entwickelte später als Regent eine Thätigkeit und zeigte einen
Thatendurst, welcher seine Zeitgenossen in Bewunderung setzte. Der
Kriegsruhm Fricdrich's II. von Preußen scheint schon. in dem feurigen
Jünglinge jene Eifersucht geweckt zu haben, welche ihn in seinem spä¬
teren Alter zu dessen fast unbedingtem Verehrer und Nachahmer machte.
Der Name eines großen und volksthümlichcn Monarchen war das
Ziel, das er sich gesetzt hatte; wenigstens wollte er denselben dem Kö¬
nig von Preußen, wenn nicht streitig machen, so sich doch mit ihm in
denselben theilen. Deshalb führte er nicht allein die preußische Mili¬
tärverwaltung bei fcir.cn Truppen ein, sondern suchte sich auch in an¬
deren Beziehungen Fricdrich's Eigentümlichkeiten anzueignen. Joseph
II. fand bald eine Veranlassung, den preußischen Herrscher persönlich
kennen zu lernen. Bald nach seiner Rückkehr aus Italien-, wohin er
im Jahre 1769 eine Reise unternommen hatte, um dieses Land mit
seinen Kunstschätzen näher kennen zu lernen, hielt er mit demselben zu
Neisse in Schlesien eine Zusammenkunft, welche drei Jahre vorher ver¬
abredet, aber durch Maria Theresia gehindert worden war. Im fol¬
genden Jahre kamen beide Herrscher zum zweiten Male zusammen und
zwar im Lager bei Mährisch-Nenstadt. Die dort gepflogenen Verhand¬
lungen endigten mit der ersten Theilung Polens.
'3. Die erste Th ei lnng Polens, 1772. Mit dem Erlöschen
dc> Jajellonischen Herrscherstammes (1572) hatte Polen's schwäche
begonnen. Nach dem Willen des Adels trat setzt an die Stelle der
Erblichkeit der Krone ein Wahlreich mit allen Umtrieben, die gewöhn¬
lich im Gefolge dieser Staatssorm sind. Bei den Wahlen fanden nicht
selten stürmische Scenen wilder Parteiung statt, und Haß und Eifer¬
sucht lenkten zuweilen die Wahlen ans Fremdlinge, denen dann des
Landes Interesse fremd blieb. Drückende Wahlcapitulationen, welche
der Gewählte vor seiner Krönung unterschreiben mußte, waren darauf
berechnet, das Königthum, welches seiner Bestimmung nach den Mit-
tclpunct deö Staates bilden sollte, in vollständige Ohnmacht zu ver¬
leben, um dasselbe zu verhindern, die Rechte des Gemeinwesens gegen
die Willkür der Großen und gegen die Zügellosigkeit des Adels zu
schützen. Daher waren die Bürger ohne Ansehen und die Bauern ge¬
22*