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an, aber sie wollten sich nicht ergeben, obgleich die Hun-
gersnoth aufs höchste stieg. Nach einer langen Belage¬
rung wurde die Stadt von den Römern erstürmt. Ein
tapferer Haufen hatte sich im Tempel verschanzt und
wollte sich auch jeht noch nicht ergeben. Dieses präch¬
tige Gebäude, welches Titus gern erhalten wollte, wurde
mit der ganzen Stadt in einem furchtbaren Brande (70
I. nach Chr.) zerstört. Der größte Theil der Juden
kam um, die übrigen aber wurden gefangen und als
Sklaven behandelt. Die Nachkommen dieser Unglück*
lichen haben sich seitdem über die ganze Erde verbreitet.
Nur zwei Jahre regierte Titus, und ihm folgte
sein grausamer Bruder Domitian, der nach wenigen
Jahren ermordet wurde. Nun folgten einige ruhmwür¬
dige Kaiser, unter welchen Rom eine Reihe glücklicher
Jahre genoß; der edle Greis Nerva; der gerechte, für
das Glück seiner Völker wohlthatig sorgende Trajan,
und nach Hadrian — der zwar viele treffliche Einrich¬
tungen machte, und Rom mit herrlichen Gebäuden
schmückte, aber manche Schwächen hatte, und zuleht
grausam wurde — der edle Ant 0 ninus Pius, und
Marcus AureliuS, der uns in den Betrachtungen
über sich selbst, die wir noch von ihm haben, ein Ge-
mählde seines tugendhaften Sinnes hinterlaffen hat,
aber wahrend seiner neunzehnjährigen Regierung einen
schweren Kampf gegen die Teutschen und andre Völker
bestehen mußte, die immer mehr gegen die Granzen deS
Reiches vordrangen.
Das römische Reich umfaßte, als Marcus AureliuS
starb, Italien, Spanien, Portugal, England und Süd-
Schottland, Frankreich und die Schweiz, die Nieder¬
lande, die teutschen Länder am Rhein und an der Mosel,
die Hälfte von Baiern, Hestreich, Sklavonien, Dal¬
matien, Kroatien, Bosnien, Servier,, Ungarn, Sie¬
benbürgen, die Moldau und Wallachei, Bulgarien, die
europäische Türkei, die Inseln im Mittelländischen Mecre