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Die meisten Nachkommen Noahs waren Nomaden d- h. sie
besaßen Heerden, von deren Milch und Fleisch sie lebten, mit deren
Wolle sie sich kleideten, und zogen mit denselben von einem Orte
zum andern, wie dies durch Überfluß oder Mangel an Weide be¬
stimmt wurde. Der Mensch liebt von Natur das Beisammenseyn,
die Geselligkeit. Jene ersten Geschlechter hatten drum auch nicht
Lust, sich von einander zu trennen, sie wollten in ruhiger Behaglich¬
keit beisammen bleiben. Allein hätten sie das gekonnt, so wäre bei
nothwendiger Vermehrung der Menschen bald Mangel an Nahrung
eingetreten, Streit und Zwietracht entstanden und durch die daraus
erwachsenden gröberen Sünden dem Menschengeschlechte ein baldiger
abermaliger Untergang bereitet; so wäre auch der Rathschluß des
Herrn, daß die ganze Erde ein Wohnplatz für die Menschheit seyn
solle, nicht erfüllt worden. Als daher, zugleich von dem Hochmuth,
sich einen Namen für ewige Zeiten zu machen, gestachelt, diese schon
ziemlich zahlreich gewordenen Nomadengeschlechter den Plan aus¬
führen wollten, eine Stadt mit einem hohen Thurme zu bauen,
der bis in die Wolken hineinreichen sollte; da verwirrete Gott die
Sprachen der Bauleute, daß Einer den Andern nicht mehr verste¬
hen konnte, und zerstreuete sie von dannen in alle Länder der Erde.
So ist also die Sünde des Hochmuths Ursache der Sprachverschie-
denheit geworden: weil die Menschen nicht in der Gemeinschaft mit
Gott blieben, sondern sich von ihren eigenen, unter sich so verschie¬
denen Geistern trieben ließen; so mußte auch die Sprache, welche
Gott ihnen zuerst geoffenbart, gelehrt hatte, die Folgen dieser Tren¬
nung von Gott und des Zerwürfnisses unter einander erfahren. Nun
blieben immer einzelne Familien so lange zusammen, als die Zahl
ihrer Glieder nicht zu groß wurde. Daraus entstanden mit der
Zeit Völkerschaften unter Anführung der Familienhäupter oder etwa
der kräftigsten und weisesten Stammältesten. Einer derselben wird
aus der Menge hervorgehoben: Nimrod, ein gewaltiger Jäger vor
dem Herrn. Er gründete ein mächtiges Reich, wahrscheinlich Baby¬
lon, und genoß später unter dem Namen Bel, Belus im Tem¬
pel des Bel, Baal götzendienerische Verehrung. Wie dieses Stamm¬
oberhaupt, so gründeten auch andere, deren Namen nicht erhalten
sind, Städte und Staaten. Die Städte gaben einer größeren Men¬