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stellt, und so wurde er sitzend in die Gruft seiner Marienkirche zu
Aachen hinabgelaffen, die Gruft dann vermauert und versiegelt.
Kein deutscher Fürst, weder vor noch nach Karl, ist ihm \t
an Größe gleich gekommen. Er steht am Eingänge einer neuen
Zeit als Schöpfer derselben, und der Glanz seiner Thaten strahlt durch
das ganze Mittelalter hindurch gleichsam als die Sonne, an welcher
sich die nachkommenden Geschlechter mit ihren Helden erst erleuchten
und erwärmen müssen, ehe sie eigenes Licht ausströmen können.
Kein Held ist auch so viel besungen und so der Mittelpunkt der
Kunst- und Volksdichtung geworden, wie er, Keines Leben so reich
mit Sagen ausgeschmückt, wie das seinige: das Volk dichtete seine
eigene Größe aus ihm heraus und in ihn hinein. Und eben weil
nachher längere Zeit Schatten war, leuchtete in der Erinnerung die
Sonne seiner Heldenherrlichkeit desto Heller. Die Kirche musste
mit dieser Bewunderung des Volkes auch gleichen Schritt halten;
sie erklärte ihn 1165 zum Heiligen.
27.
Heinrich der Städtegründer.
„Wo viel Licht, da auch viel Schatten": das sollte besonders an
den Nachfolgern Karls des Großen wahr werden. Sein Sohn
Ludwig war zwar ein sehr gelehrter und gar frommer Herr, aber
besaß nicht im Entferntesten die Kraft, welche zum Regieren und
Zusammenhalten eines so großen Reichs nöthig war. Ludwigs
Söhne hatten sich nicht gescheuet, gegen ihren eigenen Vater die
Waffen zu führen; wie mochten sie unter einander in Eintracht le¬
ben! Es kam bald zu einer förmlichen Theilung der großen frän¬
kischen Monarchie, und seit diesem Vertrage zu Verdun (11. Aug.
843) ist das jetzige Deutschland immer von Frankreich getrennt ge¬
blieben. Der letzte Sprößling aber aus dem Hause der Karolinger
in Deutschland kam gar als unmündiges Kind zur Regierung.
Hatten schon vorher die benachbarten feindlichen Völker der Sla-