Full text: Die nichtdeutschen Staaten Europas (Neue Folge)

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In Reims, dessen Kathedrale zu den prächtigsten der Erde zahlt, 
hatte schon 496 der Bischof Remigius den Franken Chlodwig zum 
katholischen Christen getaust mit den bekannten Worten: mitis depone 
colla, Sicamber; adora quod incendisti, incende, quod adorasti. 
Zu dieser heiligen Handlung hatte eine himmlische Taube das Salböl 
in einem Fläschchen herbeigebracht; das ist die sainte ampoiile, aus 
der später alle Könige gesalbt wurden. Und diese himmlische Kraft des 
Ols verlieh den Königen, ähnlich wie den englischen, die Gabe, den 
Kropf zu heilen, so daß wohl manchmal an 2000 Sieche die Hilfe 
ihrer Könige in Anspruch nahmen. — Endlich ist die Champagne 
aber noch in einer dritten Hinsicht bemerkenswert; es ist keine Gegend 
so reich an Schlachtfeldern als gerade diese große Kreideplatte, deren 
Boden man im wahrsten Sinne des Wortes als blutgetränkt be- 
zeichnen kann. Mit den Schlachtplätzen ist es in Frankreich wie in 
dem Lande Böhmen. Dort wie hier knüpft sich seit uralten Zeiten 
an bestimmte Lokalitäten der traurige Vorzug, eine „Schlachtentenne" 
zu sein, also eine Fülle von Schlachtfeldern aufzuweisen. Eine derart 
hervorragende Ortlichkeit ist eben die Champagne bis zu dem Quell- 
gebiet der Scheide, Somme, Oise, Sambre. Die Namen Testri, Laon, 
Chalons, St. Quentin ?c. bezeugen das hinlänglich. Hier zogen die 
Horden Attilas zur Völkerschlacht auf den Catalaunischen Gefilden, 
hier zog der deutsche Kaiser Otto II., um vor Paris den Ubermut 
der Franzosen zu züchtigen, hier rauchte der alte Marschall Vorwärts 
an der Spitze seiner Truppen sein Pfeifchen und jagte die Scharen 
Napoleons vor sich her. Während nach dieser Seite hin die Be- 
wohner des westlichsten Europas abgesehen von den Hunnen Haupt- 
sächlich mit den Deutschen den Kamps zu bestehen hatten, liegt eine 
andere Schlachtenebene im Südwesten zwischen den Ausläufern der 
Auvergne und den Höhen der Gatine, und hier kämpften die Be- 
wohner des Landes gegen Araber und Engländer. Es ist die Gegend 
zwischen Tours und Poitiers, „die Leipziger Ebene" Frankreichs. 
Wenn wir von der Champagne aus unsere Übersicht der Grenz- 
Provinzen fortsetzen, so folgen zunächst nach Norden zu Picardie und 
Artois. Hier in dem alten Atrecht legte Vauban seine Meistersestung 
Lille an, die vorbildlich für alle späteren französischen und deutschen 
Befestigungen wurde, bis dann das System der sternartigen Festung 
mit den schräg auslausenden Mauerlinien, die den feindlichen Kanonen- 
schliffen möglichst wenig Breitseiten bieten sollten, durch unsere modernen 
Erdwerke und detachierten Forts abgelöst wurde. Artois gilt als ein 
„Kornkasten" des schon ohnedies so gesegneten Frankreichs und kann 
an Fruchtbarkeit der Brie (fromage de Brie), der Beauce (auf dem 
Wege von Paris nach Orleans), der Touraine und der Umgegend von 
Toulouse an die Seite gesetzt werden. Man will den üppigen Ge- 
treidereichtum dieser Ebenen mit der Fruchtbarkeit Ägyptens ver¬
	        
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