Full text: Kurzer Leitfaden für den geschichtlichen Unterricht

95. Stanleys Kongofahrt. 
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Menschenleben gelöst. Er hatte im Sommer 1876 in 51 Tagen die Rund— 
fahrt auf dem 37000 qkm bedeckenden Tanganjika-⸗See zum erstenmal voll— 
endet und westlich von diesem Riesengewässer den schon von Livingstone ent⸗ 
deckten großen Lualabastrom gefunden. Was für ein Strom war das? War 
es ein Arm des Nil? der Kongo? oder ein ganz unbekanntes Gewässer, 
das sich vielleicht in einem Binnenmeere verlor? Die Eingebornen konnten 
es ihm nicht sagen, widerrieten ihm aber lebhaft den Plan, dem Laufe 
des Stromes zu folgen, und redeten viel von undurchdringlichen Wäldern, 
von reißenden Tieren, von wilden Uferbewohnern. 
Dennoch faßte Stanley den Entschluß, dem Strome zu folgen, führe er, 
wohin er wolle. Seine Schar betrug damals 154 Köpfe. Als Waffen hatte 
er 65 Gewehre, 10 Revolver und 68 Üxte. Dem Araberhäuptling Tippu⸗ 
Tib bot er 5000 Dollars, wenn er ihn mit einer Kriegsschar begleite, und 
dieser brachte nicht weniger als 700 Mann zusammen. Zu dem zerlegbaren 
Boote, welches Stanley mit sich gebracht hatte, wurden noch 17 Flußboote 
gebaut und am 5. November 1876 trat der kühne Forscher seine denk— 
würdige Fahrt an. 
Während Stanley die Flotte führte, zog der größte Teil seiner Schar 
das Ufer entlang. Beide Abteilungen wurden alsbald von kriegerischen 
Horden angegriffen und mit vergifteten Pfeilen beschossen. Es waren das 
die ersten der 48 Gefechte, welche Stanley auf seiner Fahrt bestehen mußte. 
Dann kamen die Schrecken der Stromschnellen, welche unter beständiger Feind⸗ 
seligkeit seitens der Uferbewohner zurückgelegt wurden. 900 km vom Aus— 
gangspunkte der Reise trafen die Forscher auf schauerliche Abzeichen des 
Kannibalentums. Schädel und Menschengebein schmückten die Hütlen und 
Gassen. Kaum hatte Stanley seine 72 Blatternkranken gelandet, als die Un— 
menschen ihn angriffen. Tippu-Tib wollte lieber die 5000 Dollars verlieren, 
als ferner diese tollen Abenteuer mitbestehen. Nach Abzug des Arabers zählte 
Stanley am 28. Dezember noch 146 Männer und Weiber Am 4. Jan. 1877 
traf der kühne Mann den ersten der nach ihm benannten Stanley-Fälle. Es 
sind sieben Fälle, die sich auf 340 kKm verteilen. Am 27. Januar war diese 
Strecke zurückgelegt und der Äquator überschritten. 
Nun erweiterte sich der Strom zu einer Breite von mehreren Meilen 
und spaltete sich durch ein Wirrsal großer und kleiner Inseln in viele Arme. 
Aber so herrlich das Gewässer wurde, so üppig der Pflanzenwuchs seiner 
Ufer und Inseln sich entwickelte, so feindselig blieben die Anwohner. „Wir 
hatten uns tapfer und mutig durch immer neue Scharen von Wilden durch— 
geschlagen,“ sagt Stanley; „wir hatten mehr als ein Dutzend Flotten zerstört 
und uns die Durchfahrt durch dieselben erzwungen. Wir hatten zu aller Art 
Verschanzungen unsere Zuflucht genommen und doch gellte uns bei jeder 
Krümmung dieses furchtbaren Stromes das Kampfgeschrei der Wilden in die 
Ohren und schossen ihre schlangenähnlichen Kanoes zum Angriffe hervor. Wir 
fingen an zu erlahmen und doch waren wir erst in der Mitte unserer Fahrt.
	        
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