Friedrich der Weise.
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die Dauer seiner Abwesenheit in Italien zum ReichSvicar oder
kaiserlichen Stellvertreter im deutschen Reiche. (Dieselbe ehrenvolle
Auszeichnung ward dem weisen Kurfürsten im I. 1507 wiederholt zu
Theil.) Bei letzterem Anlaß erhielt derselbe den bis zum Tode des
Kaisers ohne Widerspruch behaupteten Titel eines Reichsgeneral¬
statthalters. Auch hatte Kurfürst Friedrich in Abwesenheit deS
Kaisers mit 6000 Gulden Gehalt den Vorsitz im Rcichsregiment, dem
es vorzüglich oblag, die Urtheile des Reichskammergerichts zu vollziehen
und den Landfrieden aufrecht zu erhalten. So geachtet stand Fried¬
rich der Weise vor Kaiser und Reich da!
Es war natürlich, daß der selbst so tief gebildete Kurfürst auch in
seinem Lande als Beschützer und Förderer der Künste und Wissen¬
schaften sich erwies. Das hatte er seit dem Antritte seiner Regierung
gethan. Am Glänzendsten aber bewies er dieß durch die Stiftung
einer Universität in seinem Lande, nämlich der zu Wittenberg,
die ihm, da Leipzig bei der Theilung der albertinischen Linie zugefallen
war, als ein dringendes Bedürfniß erschien. Nach erlangter päpstlicher
Bestätigung ward dieselbe im I. 1502 eingcweihet, nachdem sie von
ihrem fürstlichen Gründer, der sie später öfters „seine liebe Tochter"
nannte, mit der reichen Schloß- und Stiftskirche und deren Dörfern,
Gärten rc. ausgestattet worden war. Zum ersten Rector derselben
ernannte der Kurfürst seinen Leibarzt I)r. Pollich, und durch die Be¬
rufung berühmter Professoren an dieselbe (wie Peter v. Ravenna,
Luther, Melanthon, Mülich u. a.) erlangte die neue Anstalt
bald einen Glanz und Ruhm, der selbst den der leipziger Hochschule
zu überstrahlen drohete.
Nachdem der Kaiser Maximilian am 12. Januar 1519 ver¬
storben war, übernahm der Kurfürst Friedrich der Weise abermals
das Reichsvicariat. Um die erledigte Kaiserkrone bewarben sich
die Könige von Spanien, Frankreich und England, also die mächtigsten
Herrscher jener Zeit. Allein die Kurfürsten konnten sich für keinen derselben
entscheiden und kamen endlich überein, dem im ganzen deutschen Reiche
rühmlich bekannten, wegen seiner Weisheit und edlen Gesinnung all¬
gemein verehrten Kurfürsten Friedrich von Sachsen die Krone anzu-
tragen. Doch auch hier bewies sich Friedrich als den Weisen. Er
erkannte, daß er eine größere politische Macht hätte besitzen müssen,
als er eben hatte, um die ihm dargcbotene Würde mit der nöthigen
Kraft zu behaupten. Besonders aber hielt er sich überzeugt, daß er,
wenn er die Pflichten auf sich nähme, die dem Oberhaupte der deut¬
schen Nation oblagen, nicht Zeit und Kraft genug behalten würde, sei¬
nem nächsten Berufe zu genügen, nämlich die Wohlfahrt seiner eigenen
Länder zu fördern. Der Glanz der Krone, nach welcher jene Mäch¬
tigen mit so vieler Anstrengung vergebens gestrebt hatten, konnte den
Scharfblick des edlen Kurfürsten nicht verblenden. Er lehnte den ehren¬
vollen Antrag von sich ab und empfahl den aus dem Hause Oester¬
reich stammenden König von Spanien, welcher auch dann als Karl V.
zum deutschen Kaiser gewählt ward. Dieser selbst erkannte aber in
unserm Kurfürsten den einflußreichen, verständigen Mann, und Karl'S