Full text: Das Königreich Sachsen und seine Fürsten

176 August. 
C a lv i n i st e n ", d. h. heimliche Anhänger C a l v i n' s, be¬ 
zeichnet. 
Längere Zeit gelang es den nächsten Umgebungen des Kurfürsten, 
zu denen namentlich sein vertrautester Minister, der Geheimerath Dr. 
Georg Cracov oder Cracau, sein Leibarzt Dr. Casp. Peucer, sein 
Hofprediger Sa gittarius (Schütz) u. A. gehörten, denselben über ihr 
Treiben in Unwissenheit zu erhalten, ja ihn so zu leiten, daß er sogar 
zu Gunsten ihrer Meinungen wirken mußte. Als August, welcher 
nach Herzog Johann Wilhclm'ö Tode bei der Minderjährigkeit der 
Prinzen die herzoglich sächsischen Lande vormundschaftlich verwaltete, im 
I. 1573 in denselben eine Kirchenvisitation anstellte, ließ er viele 
Theologen von Weimar und Jena, welche gegen die gedachte kurfürstliche 
Partei geeifert hatten, entfernen, und alle Prediger der herzoglichen Lande, 
welche einen im Sinne jener Partei abgcfaßten, vom Kurfürsten bestä¬ 
tigten Aufsatz, den sogenannten „dresdner Conscns" nicht Unter¬ 
zeichneten, wurden ihrer Stellen entsetzt.*) Da im Kurlande, wo die 
streng lutherische Partei zu scheu zum Widerstande war, jene Formel 
durchgängig unterzeichnet worden war, so glaubte August in derselben 
die echt lutherische Lehre enthalten und verblieb auf diese Weise in sei¬ 
ner Täuschung, während im Auslände bereits längst das Geschrei ging, 
in Kursachsen sei der CalviniSmus eingeführt worden. 
Doch allmählig wurden dem längst von außen her gewarnten Kur- 
sürsten die Augen geöffnet, namentlich durch aufgefangene Briefe, so 
daß er und seine Gemahlin, die übrigens an seiner Regierung nicht 
geringen Anthcil nahm, mit Schrecken gewahr wurden, wie arg sie, die 
doch im Herzen beide so streng lutherisch gesinnt waren, 10 Aihre hin¬ 
durch getäuscht und geinißbraucht worden waren. Streng war daher 
auch die Strafe, welche August verhängen ließ. Der gedachte Ge- 
heimerath Dr. Cracau ward am 4. April 1574 verhaftet und auf der 
Pleißenburg in Leipzig gefangen gesetzt, zuletzt in unterirdischem Kerker 
an Ketten und auf Stroh bei Wasser und Brod. Nachdem er hier bis 
zum 16. März 1576 geschmachtet, ward er an diesem Tage auf die 
Folter gespannt, unter deren Qualen er seinen Geist aufgab. Der kur¬ 
fürstliche Kirchenrath und Beichtvater Dr. Stößel ward auf Lebenszeit 
eingekerkert und starb in verzweiflungsvoller Schwermuth den 18. März 
1576. Dr. Peucer, den der Kurfürst 3 Jahre vorher zu Gevatter gebeten, 
wurde erst nach 12 langen Jahren (1586) und der Hofprediger Schütz 
erst durch des Kurfürsten Tod (1588) aus dem Gefängniß befreit. 
Außerdem befahl August, daß sämmtliche Geistliche und Schullehrer 
4 Punkte unterzeichnen mußten; viele unterschrieben mit Thränen in 
den Augen; viele Geistliche, Schullehrer und Wittenberger Professoren 
verloren, weil sie die Unterschrift verweigerten, ihre Acmtcr und wur¬ 
den des Landes verwiesen. 
*) Dabei war der Pirnaische Superintendent und nachmalige Beichtvater A u g u st's, 
Dr. Stößel, der früher in Jena gelehrt, aber wegen seiner calviniftisehen Gesin¬ 
nung sich entfernt hatte, als kurfürstlicher Comuiissar sv thätig, daß in wenig Tagen 
9 Superintendenten und 102 andere Geistliche ins Elend wandern mußten.
	        
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