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Johann Georg IV.
Jetzt lenkte Johann Georg IV. wieder in die frühere Politik
ein, wobei König Wi lhelm Ili. von England, der ihm die Insignien
des Hosenbandordens, die auch sein Vater und Großvater getragen,
übersendet hatte, besonderen Einfluß hatte. So schloß er denn im
Februar 1693 mit dem Kaiser ein neues Bündniß. Gegen 400,000
Thaler (theils voin Kaiser, theils von Holland, England, Brandenburg,
Braunschweig und Hessen-Cassel zugesagte) Hülssgelder schickte Johann
Georg IV. im Mai wieder 12,000 Mann mit tüchtiger Artillerie an
den Rhein und folgte spater persönlich nach. Nach dem Gefechte bei
Zwingenberg ( 12. Juli) gelang es, den 80,000 Mann starken
Feind über den Rhein zurückzudrängen.
Als sich der nach Dresden zurückgekehrte Kurfürst Johann
Georg IV. im Frühjahr 1694 zu einem abermaligen Feldzuge gegen
Frankreich rüstete, überraschte ihn, ehe er denselben antreten konnte, der
Tod. Von den schwarzen Blattern ergriffen, starb der Kurfürst unter
brünstigem Gebete, nachdem er zuvor das heil. Nachtmahl genossen, am
27. April 1694 nach 2^jähriger Regierung in einem Alter von
257*2 Jahren.
Am 4. April 1694 war die Reichsgräfin Magdalena Si bylla
von Neitzschütz, die 19jährigeTochter des Obristen der kurfürstlichen
Leibgarde und nachherigen Generallieutenants von Neitzschütz, an den
Blattern gestorben, und eben dadurch war jedenfalls der frühzeitige Tod
des Kurfürsten herbeigeführt worden. Johann Georg IV. hatte nämlich
schon als Kurprinz gegen diese, durch nichts als vorzügliche Körper-
schönheit ausgezeichnete Person eine unüberwindliche Neigung gefaßt,
das Verhältniß mit ihr auch nach seiner Vermählung fortgesetzt, im
I. 1693 sie zur Reichsgräfin von Rochlitz erheben lassen, auch in die¬
sem Jahre eine (später an einen Grafen von Dun in in Polen ver¬
heiratete) Tochter mit ihr erzeugt. Weder die oben erwähnte Reise
durch einen Theil des westlichen Europa noch die mehrfachen dringenden
Vorstellungen, namentlich seines Bruders deS Herzogs Friedrich Au¬
gust, waren im Stande, ihn von diesem Verhältnisse abzubringen. Die
unter der Leitung einer ränkevollen, die Erhebung ihrer Tochter zur
Kurfürstin beabsichtigenden Mutter stehende Gräfin hatte sogar den Kur¬
fürsten mit in den Krieg begleitet. Als sie zu Dresden an den Blat¬
tern erkrankte und starb, war der Kurfürst von derselben kaum zu trennen
gewesen und hatte so das Blattcrngift cingesogen.
Nachdem das Leichenbegängnis des Kurfürsten am 3. Juli 1694
in der Kreuzkirche zu Dresden feierlich begangen worden, wurde der
kurfürstliche Leichnam am 5. Juli unter den üblichen Ceremonien in
die Fürstengruft zu Freiberg gesenkt. Johann Georg IV. ist der letzte
regierende Fürst, welcher an dieser Stätte ruht.*)
Von diesem Kurfürsten rühmen mehre Zeitgenossen, daß er ein
ning erst zwei Jahre nach des Erstercn Tode, wie es heißt gegen ein Geschenk von
30,000 Thlr. an einen kaiserlichen Minister, wieder in Freiheit gesetzt.
*) Seine Gemahlin Eleonore Erdmuthe Louise starb, ohne ihm Nach-
kommen geboren zu haben, am 9. Sept. 1696 auf ihrem Wittwcnsitze zu Pretzsch im
35. Lebensjahre und wurde gleichfalls zu Freiberg beigesetzt.