Metadata: [Obertertia, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

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welche die Geschichte kennt, die wir nicht nur von unserem Standpunkte aus 
als Meuchelmord verdammen, sondern auch von dem der Täter aus wegen 
ihrer Unklugheit verurteilen müssen, weil sie ohne Berechnung der Folgen 
und ohne festen Plan hinsichtlich dessen, was nach der Tötung des Cäsar 
geschehen sollte, unternommen und ausgeführt wurde. Daher sie denn auch 
für Rom nur traurige Folgen gehabt hat. 
Die erste Anregung dazu ging von Männern aus, die sich hauptsächlich 
durch persönliche Motive bestimmen ließen, oder deren Patriotismus doch 
wenigstens eine starke Beimischung von Eigennutz und Selbstsucht hatte. Als 
eigentlicher Anstifter wird C. Cassius genannt, derselbe, welcher nach dem 
Tode des Crassus die Provinz Syrien mit eben so viel Tapferkeit als Geschick¬ 
lichkeit gegen die Parther geschützt hatte, und von welchem oben erwähnt 
worden ist, daß er sich im Hellespont dem Cäsar ergab. Seit dieser Zeit ge¬ 
hörte er zu Cäsars Anhängern und drückte noch während des spanischen 
Krieges gegen Cicero seine Empfindungen dahin aus, daß er den Sieg des 
Pompejus fürchte und die milde Herrschaft des Cäsar erhalten wünsche. 
Indes hatte ihn vor kurzem Cäsar dadurch empfindlich verletzt, daß er ihm, 
nachdem er zum Prätor gewählt worden, nicht die immer vorzugsweise be¬ 
gehrte städtische Prätur übertragen, sondern ihm darin den M. Brutus vor¬ 
gezogen hatte. Dies und der ihm einwohnende natürliche Stolz, der die 
Abhängigkeit von Cäsar schwer ertrug, hatte ihm den Plan einer Verschwö¬ 
rung gegen Cäsars Leben eingegeben, der vielleicht bei ihm am wenigsten 
von patriotischer Begeisterung in sich schloß, dafür aber auch von ihm noch 
am meisten mit kluger Überlegung verfolgt wurde. 
An ihn hatte sich zwar bereits eine ziemliche Zahl von Genossen an¬ 
geschlossen; indes gewann man doch noch keine rechte Zuversicht zu dem 
Unternehmen, weil es noch an einem populären Namen fehlte, durch den 
man die Gunst des Volkes gewinnen konnte. Man richtete daher sein Augen¬ 
merk auf den eben genannten städtischen Prätor M. Junius Brutus. Dieser 
war der Sohn jenes Brutus, welcher im Jahre 78 mit Lepidus einen 
Ausruhr erregt hatte und im darauffolgenden Jahre von Pompejus besiegt 
worden war. Er hatte daher beim Beginn seiner Laufbahn mit den Schwie¬ 
rigkeiten zu kämpfen, die für ihn aus dem Unglück und dem Übeln Rufe seines 
Vaters entsprangen. Er überwand dieselben indes durch seine Beredsamkeit, 
durch den Ruf seiner vorzüglichen Bildung und durch seinen reinen, edlen 
Charakter, der auch dann noch gerühmt wurde, als sein Unglück ihn allen 
Schmähreden preisgab. Sein Patriotismus hatte ihn in das Lager des 
Pompejus geführt. Nach der Schlacht bei Pharsalus hatte er aber die Ver¬ 
zeihung, die ihm Cäsar entgegenbrachte, angenommen und war seitdem mit 
besonderer Auszeichnung von ihm behandelt worden. Im Jahre 45 übertrug 
ihm Cäsar die Statthalterschaft über das diesseitige Gallien, die er mit be- 
Paulsiek, Deutsches Lesebuch für Obertertia. 7 
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