Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

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Auf dann, ihr Bäche, die ihr von daher fließet, kehrt zu eurer Quelle zurück! 
Soll sich denn Gott andere Krieger erwecken? — Nein, o nein! ihr werdet 
aus eurer Trägheit erwachen! Auf! wider den Feind des christlichen Namens 
wendet diese Schwerter, die ihr ohne Aufhören gegen einander schärft! Dort 
ziehet hin! dort! gegen den Aufgang! da sind gerechte Beleidigungen zu rächen. 
Da büßet nun so manchen Raub, so manchen Brand, so manchen an dem 
Unschuldigen verübten Todtschlag. Ihr Unterdrücker der Wittwen und Waisen, 
Räuber, hungrige Geier, die ihr euch am liebsten im Blute eurer Brüder 
badet! eilt nach Palästina, und adelt eure befleckten Schwerter im Sarazenen- 
blute! Soldaten des Teufels, werdet Soldaten des lebendigen Gottes, und 
fürchtet nichts unter seiner glorreichen Fahne! Als Sieger werdet ihr zurück¬ 
kehren, oder die Märthrerkrone erringen; denn vollkommener Ablaß eurer 
Sündenschuld, uud das gewisse Loos himmlischer Freuden begleitet euch in 
den heiligen Streit! — So ziehet denn hin, und nichts halte euch! Wir be¬ 
schwören euch, doch nicht wir, sondern der Herr durch uns. Ritter oder Sol¬ 
daten, Reiche oder Arme, Alle, die ihr hier zugegen seid: erhebt euch, und 
keine unwürdigen Bande, nicht eheliche Liebe, nicht kindliche Pflicht müsse euch 
an die Heimath fesseln." 
Jetzt schwieg er, und nachdem er umhergeschaut, und den Eindruck seiner 
Worte bemerkt hatte, fuhr er fort: „Ja, Alles verkündigt uns den heiligen 
Zorn, der euch begeistert; in euch Allen brennt der Durst nach Rache. Wir 
entlassen euch, ihn zu stillen. Und damit keine Sorge, kein banger Rückblick 
mehr euren Busen beenge, so verleihen wir Allen, die sich diesem verdienst¬ 
lichen Unternehmen widmen, den Schutz der Kirche, und völlige Sicherheit 
ihrer Personen und ihrer Habe. Die Bande oes Fluches sollen sich um den 
Verwegenen schlingen, der sich erfrecht, Gottes heilige Streiter anzutasten." 
Schon während der Rede hatte mau .Schluchzen und Seufzen gehört. 
Nun aber, da er schwieg, ließ Jeder seinen aufgeregten Empfindungen den 
freiesten Lauf. Ueberall sah man gen Himmel gehobene Augen und Hände, 
überall hörte man das Hallen zerschlagener Brüste, und endlich brachen die 
versammelten Tausende in den lauten Ruf aus: „Gott will es haben! Gott 
will es haben!" 
Noch einmal erhob sich der heilige Vater, gebot Stille mit den Händen, 
und sprach: „Ja, Gott will es haben! Sehet da in der Einstimmigkeit dieses 
Rufs die augenscheinliche Erklärung des Ewigen, daß es sein Werk ist, welches 
ihr beginnt, und daß er mit euch ziehen werde. Laßt diese glücklichen Worte 
das Feldgeschrei sein, an welchem sich die Krieger der heiligen Miliz erkennen. 
Allein den Streitern Jesu gebührt es auch, ein unterscheidendes Zeichen an sich 
zu tragen, welches sie vom Pöbel sondere, und am Tage der Schlacht den 
Christen von dem Ungläubigen unterscheide. Die Abbildung des heiligen 
Kreuzes sei dieses ehrwürdige Zeichen. So schmücke sich denn Jeder, der die¬ 
sem verdienstlichen Zuge sich zugesellt, auf seiner rechten Schulter mit einem 
Kreuze. Den Christen sei es ein Band einer allgemeinen Verbrüderung, den 
Sarazenen ein Schrecken. — Aber nur denen sei der heilige Weg geöffnet, 
deren Rüstigkeit seinen Beschwerden sich gewachsen fühlt. Alle Uebrige: Greise, 
Schwache, Weiber und Kinder, seien davon losgesprochen, und mögen durch 
Gebet, Rath und Almosen zur Befreiung der heiligen Orte beitragen. Auch
	        
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