Karl der Kühne von Burgund. §.41.
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Glücklicher als im östlichen Theile seines Reiches gestalteten
sich im westlichen die Aussichten auf Vermehrung der Hausmacht
Oesterreichs.
Das Herzogthum Burgund (Bourgogne) und die Frei¬
grafschaft Burgund (Franche-Comté) hatten sich längst von dem
mit dem deutschen Reiche vereinigten Königreiche Burgund getrennt
und waren (1361) durch Heirath (des Herzogs von Burgund mit der
Erbin der Grafschaft Burgund) vereinigt worden. Dazu kamen durch
Heirath, Kauf, Erbschaft fast sämmtliche Provinzen der damals höchst
blühenden Niederlande. Der letzte Herzog von Burgund, Karl der
Kühne (1467—1477), erbte mit dieser Ländermasse von seinem
Vater Philipp dem Guten (s. die Stammtafel S. 183) den Plan, sein
von der Nordsee bis zu den Alpen ausgedehntes Gebiet zu einem
selbständigen Königreiche zwischen Deutschland und Frankreich zu
erheben. Der Kaiser kam seinem Verlangen entgegen in der Hoff¬
nung, Karl’s Erbtochter Maria für seinen Sohn, den Erzherzog Maxi¬
milian, zu erhalten und so Burgund für Oesterreich zu gewinnen,
dadurch es aber auch wieder dauernd mit dem Reiche zu vereinigen.
Aber bei einer persönlichen Zusammenkunft beider Fürsten zu Trier
(1473) wollte jeder seine Forderung zuerst erfüllt sehen: der Kaiser
die Vermählung, der Herzog die Krönung, die er schon vorbereitet
hatte. Dieses gegenseitige, durch Einmischung des Königs (Ludwig XI.)
von Frankreich noch gesteigerte Misstrauen zerschlug die Sache einst¬
weilen. Der Kaiser reiste plötzlich ab unter dem Vorwände, Streitig¬
keiten zwischen dem Erzbischöfe (Ruprecht) von Köln und seinem
Domcapitel (welches dessen Resignation verlangt und einen Admini¬
strator gewählt hatte) zu schlichten. Da das Kölner Capitel den Kaiser
zu Hülfe rief, so nahm sich Karl der Kühne (um sich am Kaiser zu
rächen) des vertriebenen Erzbischofs an, vermochte jedoch die feste
Stadt Neuss durch eine zehnmonatliche Belagerung und unzählige
oft an einem Tage wiederholte Stürme nicht zur Uebergabe zu bringen
und schloss Frieden mit dem Kaiser (dem er wahrscheinlich die Erb¬
tochter für seinen Sohn bewilligte).
Einige Jahre vorher (1469) hatte der in Tirol regierende Herzog
Sigmund Karl dem Kühnen die österreichischen Besitzungen im Ei¬
sass, Sund- und Breisgau nebst mehreren Rheinstädten (Rheinfelden,
Seckingen, Lauffenburg, Waldshut, Breisach) verpfändet. Diese er¬
hoben wegen der drückenden burgundischen Verwaltung einen Auf¬
stand , als Karl am Niederrhein beschäftigt war, und fanden Unter-