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sich gegen Eduard zu empören. Dadurch bekam Eduard so sehr alle Hände
voll zu thun, daß er den von Papst Bonifaz VIII. vorgeschriebeuen Waffen¬
stillstand annehmen, und die Wiedereroberung von Guienne auf günstigere
Zeiten verspüren mußte (1293).
Dieser Streit mit England führte einen noch heftigeren Zwist mit dem
Papst herbei. Auf dem päpstlichen Stuhle saß damals Bonifaeins VIII.,
ein hoher, kräftiger, aber stolzer und gebieterischer Greis, der sich berufen
fühlte, im Sinne Gregors VII. und Jnnocenz's IIl. zu verfahren. Er ge¬
bot den beiden Königen, Frieden zu halten. Eduard nahm das Gebot willig
an, Philipp aber antwortete, der Papst habe sich in weltliche Händel nicht
zu mischen. Ferner waren in jenen Zeiten die Güter der Geistlichen von
Abgaben befreit, und es wurde für eine Art von Kirchenraub gehalten, wenn
man sie besteuerte. Aber darauf nahm Philipp keine Rücksicht. Er hatte
längst gewünscht, einmal mit dem Papst in die Schranken zu treten, und
legte daher auch Jbe* französischen Geistlichkeit Schatzungen auf. Was er er¬
wartet hatte, geschah. Der Papst verbot den Geistlichen, der weltlichen
Obrigkeit Abgaben zu zahlen. Dagegen verbot Philipp, daß die Geistlichen
Geld ins Ausland schickten. Diese Erklärung machte den Papst, der über¬
dies in Rom durch die Familie Colonna, die er in Bann gethan hatte, be¬
drängt wurde, nachgiebiger, er erließ eine Bulle, in welcher er mildere Ge¬
sinnungen anssprach, und seine Neigung, den Frieden mit Frankreich zu er¬
halten , verrieth, erhob auch Ludwig IX. unter die Heiligen. Aber das gute
Vernehmen dauerte nicht lange. Philipp hatte nämlich den Grafen Veit
von Flandern zwar wieder losgelassen, aber ihn bald darauf wieder be¬
kriegt. Veit schloß Bündnisse mit Eduard I. und Adolph von Nassau, wurde
aber von Keinem kräftig unterstützt; die Franzosen eroberten ganz Flandern,
und da Veit auf den Rath des königlichen Bruders, Karl von Valois, nach
Paris eilte, und sich mit seinen Söhnen dem Könige zu Füßen warf, ließ
dieser ihn mit vielen flandrischen Großen festnehmen, und zog Flandern als
ein Kronlehn ein.
Jetzt mischte sich Bonifaz wieder ein, und verlangte, daß Philipp so¬
wohl Flandern als Guienne zurückgeben solle, und da der König sich dessen
weigerte, gerieth Bonifaz, der keinen Widerspruch vertragen konnte, in den
heftigsten Zorn, besonders da Philipp den päpstlichen Legaten, der sich gegen
ihn unverschämt betrug, festnehmen ließ und nach Rom zurückschickte. Er
erließ mehrere heftige Schreiben gegen den König, der ihm keine Antwort
schuldig blieb, und eine dieser Bullen in Paris unter Trompetenschall öffent¬
lich verbrannte. Sodann berief Philipp eine große Reichsversammlung nach
der Notredame-Kirche in Paris, die darum besonders merkwürdig ist, weil
dabei zum ersten Male (so viel sich erweisen läßt) Abgeordnete des Bürger¬
standes, des tiers - état, zugegen waren. Dieselbe erklärte, daß sie nicht
dulden werde, daß der Papst die königliche Gewalt beschränke. Bonifaz ließ
sich dadurch nicht einschüchtern; er hielt in Rom eine Kirchenversammlung,
die trotz Philipps Verbot auch von vielen französischen Prälaten besucht wurde,
und drohte hier dem Könige mit Bann und Absetzung, wenn er sich nicht
gehorsam bezeigen würde. Dieser dagegen entsetzte die in Rom gewesenen
Geistlichen, und ließ den kühnen Wilhelm von Nogarei, der früher Pro-