fullscreen: Lehrbuch der deutschen Geschichte für Seminare und höhere Lehranstalten

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dies gethan und aus dem Becher gekostet hatten, gingen wir zu den Sesseln, 
auf denen man bei der Mahlzeit sitzen mußte. Alle Sessel standen längs den 
Wänden des Saales, auf den beiden gegenüberliegenden Seiten. In der Mitte aber 
saß auf einem Taselbett Attila, und hinter ihm war ein anderes Taselbett, von 
dem einige Stufen auf sein Nachtlager führten, welches durch Schleier und bunte 
Vorhänge schmuckvoll verhüllt war, so wie die Hellenen und Römer den Brautleuten 
ihr Lager zurichten. Für die vornehmste Reihe der Tafelnden hielten sie die rechte 
Seite des Attila, für die zweite aber die linke, in welcher wir waren. Zwei Söhne 
des Attila saßen auch an der Tafel; der älteste aber saß auf dem Tafelbett des Königs, 
nicht nahe an ihm, sondern an der Ecke und blickte aus Ehrfurcht vor dem Vater zu 
Boden. Als wir alle nach dem Range saßen, kam der Weinschenk und bot dem Attila 
eine Schale Wein. Er nahm sie und grüßte den ersten im Range. Wer durch den 
Gruß geehrt wurde, stand auf und durfte sich nicht eher setzen, bis er entweder gekostet 
oder auch ausgetrunken und den Becher dem Schenker zurück gegeben hatte. Dem sitzenden 
Attila aber bezeigten auf dieselbe Weise alle Anwesenden ihre Ehrfurcht, indem sie die 
Becher nahmen und nach dem Heilwunsch daraus tranken. Jedem aber wartete ein 
besonderer Schenk auf, der nach der Reihe eintreten mußte, wenn der Schenk des Attila 
abtrat. Nachdem der zweite und die folgenden begrüßt worden waren, empfing Attila 
auch uns in gleicher Weise nach der Ordnung der Stühle. — Als mit diesem Gruß 
alle geehrt waren, gingen die Schenken hinaus, und zuerst wurde dem Attila ein Tisch 
vorgesetzt, dann den andern, je einer für drei, vier oder mehr Männer, von denen 
jeder sich aus den Gerichten des Tisches nehmen konnte, ohne von der Sesselreihe auf- 
zustehen. Und zuerst trat herein der Truchfeß des Attila; er trug eine Tafel voll Fleisch, 
und die Diener, welche allen aufwarteten, fetzten nach ihm Brot und Zukost auf die 
Tische. Den anderen Barbaren und uns waren leckere Gerichte zugerichtet, welche auf 
silbernen Scheiben lagen; für den Attila lag aber auf der hölzernen Tafel nichts als 
Fleisch. Mäßig erwies er sich auch in allem Uebrigen, denn den Männern des Mahles 
wurden goldene und silberne Becher gegeben, sein Trinkgefäß war von Holz. Schlicht 
war auch fein Gewand, es zeigte keine andere Sorgfalt, als daß es rein war; auch 
sein u«ngegürtetes Schwert und die Bänder der Barbarenfchuhe, auch das Geschirr des 
Rosses waren nicht wie bei den übrigen Skythen mit Gold oder Steinen oder anderen 
Kostbarkeiten geschmückt. Und als die Speisen des ersten Ganges verzehrt waren, 
standen wir alle auf, und nicht eher kam der Stehende in den Sessel, als bis nach der 
früheren Reihenfolge jeder einen vollen Becher Wein, der ihm gereicht wurde, austrank 
und für Attila Heil erflehte. Als er auf diese Weise geehrt war, saßen wir nieder, 
und jedem Tische wurde die zweite Tafel aufgefetzt, welche andere Gerichte hatte. Nach¬ 
dem sich alle auch von diesen bedient hatten, standen wir aus dieselbe Weise auf, 
tranken wieder aus und fetzten uns. Als es Abend wurde, zündete man Fackeln an, 
und zwei Barbaren, welche dem Attila gegenübertraten, sagten verfaßte Lieder her, 
worin sie seine Siege und Kriegstugenden besangen. Auf die Sänger schauten die 
Gäste, die einen freuten sich über die Gedichte, die andern dachten an ihre Kämpfe und 
wurden begeistert, manche aber weinten, denen durch die Zeit der Leib kraftlos geworden 
und der wilde Muth zur Ruhe gezwungen war. — Nach den Gesängen trat ein 
skythischer Narr ein, welcher Seltsames, Unsinniges und Albernes herausstieß und allen 
Gelächter erregte. Nach ihm erschien Zerkon, der Maurusier, lächerlich durch feine 
Häßlichkeit und sein Stammeln; denn er war zwerghaft, buckeligt, krumm von Beinen, 
mit einer Nase, die so ausgestülpt war, daß man sie kaum vor den Nasenlöchern sah.
	        
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