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ten sich einige Soldaten auf den Straßen, so schlüpften die Einwohner in
ihre Häuser, und verriegelten die Thüren, ängstlich auf jedes Geräusch lau¬
schend. Durch eine verstellte Freundlichkeit war es dem Herzog gelungen, die
noch nicht entflohenen Großen einzuschläfern; sich ihrer zu versichern, sollte
sein Erstes sein. Egmont glaubte so sicher zu sein, daß er zu seiner gewohn¬
ten fröhlichen Lebensart zurückkehrte, und auch Hoorne fand sich in Brüssel
ein. An dem Tage, an welchem Alba seinen Streich ausführen wollte, ließ
er die Staatsräthe, unter ihnen Egmont und Hoorne, zu sich entbieten, um
mit ihnen zu rathschlagen. Nach beendigter Sitzung, als die Edelleute aus¬
einander gehen wollten, und auch Egmont sich beurlaubte, um mit Alba's
Sohn ein angefangenes Spiel auszuspielen, vertrat ihm ein Hauptmann den
Weg, und erbat sich seinen Degen, indem ein Haufen spanischer Soldaten
ihn umringte. Im ersten Augenblicke der Ueberraschung vermochte er kein
Wort hervorzubringen; dann ries er schmerzhaft aus: „O Oranien! Ora-
nien!" gab seinen Degen, und sprach: „So nimm ihn hin! Weit öfter hat
er ja des Königs Ruhm vertheidigt, als meine Brust beschützt." Hoorne
wurde auf dem Wege nach seiner Wohnung verhaftet. Sogleich fragte er
nach Egmont, und als er vernahm, daß dieser bereits festgenommen sei, so
sprach er: „Von ihm habe ich mich leiten lassen; es ist billig, daß ich Ein
Schicksal mit ihm theile." Als die Nachricht von der Verhaftung dieser
Häupter sich verbreitete, war der Schrecken groß, und 20,000 Einwohner ver¬
ließen die Niederlande sofort; die Auswanderungen nahmen so überhand, daß
Alba sie bei Todesstrafe untersagte.
Die Inquisition war gleich wieder von Alba in ihre Thätigkeit gesetzt
worden. Jetzt machte er auch bekannt, daß Alle, welche mit den Geusen in
Verbindung gestanden, oder an den calvinistischen Predigten Theil genommen
hätten, des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig wären. Hiernach
waren ihm das Leben und die Güter fast jedes Niederländers verfallen, und
es war nur Gnade, wenn er die Todesstrafe über die Verbrecher nicht verhängte.
Sodann setzte er ein Gericht nieder, welches die Theilnahme an den Unruhen
untersuchen sollte, und von den Niederländern der Blutrath genannt wurde.
Vorsteher desselben war ein fühlloser Spanier, Vargas, dem es Freude
machte, Blut zu vergießen und die Güter der Verurtheilten einzuziehen. Die
Reichen kamen zuerst daran. Kaufleute, die über ein Vermögen von 60—
100,000 Thlrn. zu gebieten hatten, sah man, die Hände auf den Rücken ge¬
bunden, von Pferden nach der Richtstätte geschleift werden, und obgleich täg¬
lich eine Menge solcher Unglücklichen gehängt, geköpft, geviertheilt oder ver¬
brannt wurde, so waren doch bald die Gefängnisse zu enge, die Zahl der
täglich Verhafteten aufzunehmen.
Margarethe fühlte sich gekränkt, daß Alba so eigenmächtig verfuhr, und
ihr nichts als den leeren Namen der Regentin ließ. Sie bat daher den
König um die Erlaubniß, das Land verlassen zu dürfen, und erhielt sie sogleich.
So wenig auch die Niederländer mit ihrer Verwaltung zufrieden gewesen
waren, so sahen sie dieselbe doch mit Schmerz scheiden, da sie einen Alba zum
Nachfolger hatte.
Alba ließ nun den Prinzen von Oranien vorladen. Daß er nicht kam,