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lich in der neuen landen, verdrängen viel rüstiger die amerikanischen Arten als
die letzteren die europäischen. Darum nennen auch amerikanische Botaniker
ihren Erdtheil den Garten für europäisches Unkraut. Wilde Gewächse vou
Europa landeten in Buenos-Ayres und bedeckten bald meilenweit die Steppe,
sodaß die einheimischen Gräser vor ihnen zurückwichen. Es sind seit 1492
in Amerika 166 fremde Arten eingedrungen, in Europa nur 38.*)
2. Pas Verhältnis der Längen- zur Nreitenausdelinung.
Wie einflußreich dieses Verhältniß ist, zeigt sich wiederum recht deutlich
bei einer Begleichung der neuen Welt mit der alten. Das mehr in die Länge
als in die Breite ausgedehnte Amerika wird weit mehr vom Oeean beeinflußt
als der mehr breite als lange Ostcontinent, weshalb die Neue Welt mehr
oceanisches, die alte mehr continentales Klima besitzt. Die umfang-
reichere Landmasse der alten Welt ist bei weitem nicht in d em Maße den seuchteu
Seewinden ausgesetzt, als die schmale Westveste. Deshalb bietet Amerika auch
nur eine kleine Zahl von Landstrichen, die an Trockenheit und Dürre mit
gewissen Theilen der Sahara und Arabiens verglichen werden könnten.
Langgestreckte Erdräume weisen ferner verschiedene Klimate auf,
während überwiegende Breitenausdehnung mehr einheitliches Klima mit
sich bringt. Kein Erdtheil erstreckt sich durch so viel verschiedene Wärme-
zonen als Amerika. Daraus folgt aber auch weiter, daß bei vorherrschender
Längendimension die Pflanzen- und Thierwelt eine reichere Man-
nichfaltigkeit und Abwechselung ihrer Gattungen zeigen muß als
in den mehr in die Breite ausgedehnten, von einheitlichem Klima beherrschte!:
Erdräumen. Rühmt man doch schon in dem schlanken Italien die Mannich-
faltigkeit der Erzeugnisse, und wenn auch Amerika weniger Arten besitzt als
die alte Welt, so hat es doch deren sehr verschiedene, da es Thier- und
Pflanzenspeeies aus allen Zonen beherbergt.
Neben der geringeren Geräumigkeit ist auch die Meridiauausdehuuug
Amerika's ein Grund mit dafür, daß hier nicht fo viel Arten einer
Gattung und Abarten einerArt entstehen können als in der alten Welt,
welche das Bestreben zeigt, möglichst viel Längengrade unter gleichen Pol-
höhen zu durchlaufen. Denn, wie schon Leopold von Buch bemerkte, bilden
die Einzelwesen der Arten mit der wachsenden Entfernung und der Aendernng
des Standortes Abarten, welche in dem großen Abstand, den sie genommen
haben, nicht mehr mit den Abarten gekreuzt und zu dem Haupttypus zurück-
geführt uud deshalb endlich zu dauernden Eigenarten werden.Nun halten
sich aber die meisten Arten und Gattungen des Pflanzen- uud Thierreichs
bei ihrer Verbreitung mehr an dasselbe Klima; sie bleiben, wie Peschel sich
ausdrückt, zwischen Polar- und Aequatorialgreuzen, richtiger zwischen isother¬
mischen Maximal- uud Minimalgrenzen, eingefangen. In Folge dessen wird
in der alten Welt jeder Einzelart offenbar ein viel größerer Spielraum er-
öffnet als in der neuen. In der letzteren können sich die Arten bei ihrer
Verbreitung uicht allzuweit von einander entfernen, weil sie dasselbe Klima
nur auf einem kleinen Gebiete vorherrschend finden. Trotz der Aendernng
ihres Standortes gewinnen sie keinen bedeutenden Abstand, wenigstens keinen
1) I. c. 940 ff. — 2) El. Reclus, Die Erde und die Erscheinungen ihrer
Oberfläche. Deutsche Bearbeitung von Ule I, 77. — 3) Leopold von Buch,
Canarien. 133.