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48. Athen. — Verfassung des Solon (594 vor Chr.).
Wir wenden uns jetzt nach Athen, Griechenlands edelster
Stadt, an deren Namen sich so viele hohe und freundliche Er¬
innerungen knüpfen. Cecrops, ein Zeitgenosse des Moses,
hatte sie erbaut und den ersten Samen der Cultur auf attischen
Boden ausgestreuet. Seit der Zeit hatte das emsige Küsten¬
völkchen sich immer mehr zu heben gesucht. Anfangs stand es
auch unter Königen, und unter diesen ist besonders Theseus
(1300) herühmt, der zu den gefeiertsten Helden Griechenlands
gehört. Er befreiete Athen von einem schimpflichen Tribute,
welchen es dem Könige Minos von Kreta entrichten mußte. Die
Sage nämlich berichtet, die Athener hätten für das Ungeheuer
Minotauros, welches, halb Thier, halb Mensch, im Labyrinthe
auf Kreta hausete, ein jährliches Opfer von sieben Jünglingen
' und Jungfrauen bringen müssen, Theseus mber habe dies
Ungeheuer mit Hülfe der Königstochter Ariadne, welche ihn
vermittelst eines Fadens im Labyrinthe leitete, glücklich besiegt.
Er erhob Athen zur Hauptstadt von ganz Attika und erwarb
sich solche Verdienste, daß die Athener noch mach Jahrhunderten
seiner dankbar gedachten xmb ihm sogar einen Tempel erbaueten,
dessen Trümmer noch jetzt zu sehen sind.
Der letzte in der Reihe der Könige war Kodrus, derselbe,
welcher beim Einfalle der Dorer durch freiwilligen Opsertod
Athen rettete. Die Bürger hielten diese hochherzige That ihres
Königs für so groß und ruhmvoll, daß sie sagten, nach ihm sei
Keiner mehr des Thrones würdig.* Sie schafften deshalb die
königliche Würde ab und errichteten eine Republik. Diese
eben hatten sie längst gewünscht, aber zur Errichtung derselben
gab ihnen erst jetzt der ruhmvolle Tod ihres Königes einen
scheinbaren Vorwand. An die Spitze der neuen Republik stellten
sie einen Archonten oder Staatsverwalter, der die ganze
königliche Macht, aber nicht erblich, ausübte, und übertrugen
aus Dankbarkeit dieses Amt zuerst dem Sohue des Kodrus,