Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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solche Lehren vor, welche mit den herkömmlichen der Kirche ganz 
und gar nicht übereinstimmten, und die er größtentheils aus 
den Schriften des Johann Wille ff, eines englischen Gottes¬ 
gelehrten und Pfarrers, der um 1360 feindlich gegen die Kirche 
auftrat, geschöpft hatte. Dadurch zog er sich den Verdacht der 
Ketzerei zu und wurde zur Verantwortung nach Nom geladen. 
Darüber triumphirtcn die Deutschen, seine Feinde, weil sie vor¬ 
züglich auf sein Anstiften ihrer Vorrechte auf der Universität 
Prag waren beraubt worden. Allein Huß erschien nicht. Darauf 
rief ihn die Kostnitzer Versammlung zur Verantwortung vor 
(1414). Er beschloß jetzt, sich dort zu stellen, verlangte aber 
zuvor vom Kaiser Sigismund einen Geleitsbricf, weil er sich 
mit Grund vor den beleidigten Deutschen fürchten mochte. Ein 
solcher Geleitsbrief, der ihm Schutz und Sicherheit vor jedem 
ungerechten Angriffe auf der Hin- und Herreise versprach, ward 
ihm nuch vom Kaiser ertheilt. Nun zog er festen Muthes nach 
Kostnitz. Der anwesende Papst bezeigte sich hier gegen ihn 
höchst gütig und nachsichtsvoll. Er wies ihn auf das Con¬ 
cilium hin, auf welchem seine Lehre geprüft werden solle; er 
versicherte ihn seines Schutzes und hob sogar den Bann auf, 
in welchen er gethan war. Nichts desto weniger verbreitete 
Huß in Kostnitz selbst, fast unter den Augen der Väter, auf 
das Eifrigste seine Lehre, und die Gährung wuchs zusehends. 
Um solchem Unwesen zu steuern, ward es für nöthig erachtet, 
ihn, des kaiserlichen Geleitsbrieses ungeachtet, vorläufig in Ge¬ 
wahrsam zu nehmen, bis seine Sache vom Concilium entschieden 
sei. Hierüber beschwerte sich der Kaiser; allein die versammelten 
Väter bedeuteten ihm: sein kaiserliches Wort dürfe dem katho¬ 
lischen Glauben nicht zum Nachtheile gereichen und den geist¬ 
lichen Richter nicht hindern, sein Amt zu verwalten; auch 
mache sich einer, der ungeachtet aller Verwarnung noch fort¬ 
während den Glauben anfeinde und die öffentliche Ruhe ge¬ 
fährde, der Freiheit selber verlustig. Diese ernstliche Mahnung 
schreckte den Kaiser. Er beschloß jetzt, sich nicht ferner in die 
Sache zu mischen.
	        
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