Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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vstgothische Reich hatte zwei und sechzig Jahre, von 493 bis 
555, bestanden. 
Nach so vielen Gräuelauftritten bot das sonst so blühende 
Italien einen erschütternden Anblick dar. Mehrere Millionen 
Menschen hatte der Krieg hinweggcrasft. Hungersnoth und Seu¬ 
chen wütheten unter denen, welche der Krieg verschont hatte. 
Ganze Städte standen wie verödet, Felder lagen unbebaut, die 
Unsittlichkcit griff auf eine schaudervolle Weise um sich. Und doch 
war noch nicht das Ende des Jammers und des Elendes erschienen. 
Dauernder als durch Eroberungen hat Justinian sein An¬ 
denken durch innere Einrichtungen des Reiches begründet. Un¬ 
ter der Leitung und Aufsicht seines Ministers und Günstlinges 
Tribonian wurden nicht nur die Verordnungen der früheren 
Kaiser als Quelle des Rechtes gesammelt (in dem sogenannten 
codex Justinianeus), sondern auch eine kunstreich geordnete 
Sammlung von Erklärungen und Anssprüchen berühmter Rechts¬ 
gelehrten (digesta, pandectae) angelegt und aus dieser ein Aus¬ 
zug als wissenschaftliches Lehrbuch des Rechtes (institutiones) 
veranstaltet. Später kamen hiezu noch neue Verordnungen Ju- 
stinian's unter dem Namen novellae; das Ganze ist auch unter 
dem Titel eoi-pus juris, d. i. Gesetzbuch, bekannt. Dieses hat 
die Weisheit alter Gesetzgeber und Rechtslehrer nicht bloß ans 
die Nachwelt vererbt, sondern ist auch die Grundlage für die 
Rechtsbestimmungen vieler neueren Staaten geworden. Aus diese 
Weise wirkt recht sichtbar Roms Geist auch noch in dem heu¬ 
tigen Europa fort, und Justinian ist als Vermittler dieser Wirk¬ 
samkeit anzusehen. Außer der Sorge, die er auf die Gesetzgebung 
wandte, war er darauf bedacht, viele Städte zu befestigen und 
mit neuen Gebäuden zu verschönern. Ein Meisterwerk der Bau¬ 
kunst war die von ihm erbaute Sophienkirche zu Eonstan- 
tinopel, welche zum Theil noch vorhanden, aber von den Türken 
in eine Moschee verwandelt ist. Sie war so prachtvoll, daß Ju¬ 
stinian, als er sie am Tage der Einweihung zum erstenmale in 
ihrem Glanze erblickte, vor Erstaunen ausrief: „Salomo, ich
	        
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