Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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habe dich übertroffen!" Auch Handel und Gewerbe erhielten 
neuen Schwung. Unter seiner Regierung kam zuerst der so wich¬ 
tige Seidenbau nach Europa. 
Die Seide ist ein zarter Faden, welcher von der sogenannten 
Seidenraupe gesponnen wird. Dieses Thierchen lebt in dem weit 
entlegenen Indien und China und spinnt sich im Freien, ohne 
alle Wartung und Pflege, auf Bäumen ein. Wegen ihrer be¬ 
sonderen Nützlichkeit aber wurden die Seidenraupen bald von 
den Menschen unter besondere Aufsicht und Pflege genommen und 
mit Maulbeerblättern sorgfältig gefüttert. Dadurch wurde die 
Seide immer mehr veredelt. Jene beiden Länder blieben lauge 
in dem alleinigen Besitze dieser reichen Erwerbsquelle. Die 
Griechen und Römer bekamen ihre seidenen Zeuge durch persische 
und indische Karavauen, wußten aber von dem Ursprünge der 
Seide so wenig, daß sie anfangs glaubten, sie wachse auf Bäumen. 
Die weite Ueberfahrt jedoch machte die Seide im Auslande so 
theuer, daß man sie mit Gold aufwog; und als einst der Kaiser¬ 
in Rom ein ganz seidenes Kleid trug, wurde von dieser uner¬ 
hörten Verschwendung in der ganzen Stadt gesprochen. Weil 
nun Justinian so wie sein Vorgänger mit den Persern fast un¬ 
aufhörlich Krieg zu führen hatten, so blieben die Seidenkarava- 
nen ganz aus. Schon wollte er Schiffe das rothe Meer hin¬ 
unter bis nach Indien fahren lassen, um Seide zu holen; als 
zwei Mönche vor ihm erschienen, die auf ihren Bekehrungsreisen 
auch Indien und China besucht und ihm Kokons mitgebracht 
hatten. Sie meinten, der Seidenbau lasse sich leicht auch in 
Griechenland einführen, wenn man nur erst Seidenwürmer habe. 
Es hielt aber schwer, diese zu erhalten, da jene Völker die Aus¬ 
fuhr dieser so nützlichen Thiere verboten hatten. Auf des Kaisers 
Befehl unternahmen die beiden Mönche eine zweite Reise in 
jene Länder. Im Jahre 555 kamen sie zurück und brachten 
heimlich in ihren hohlen Wanderstäben Eierchen von der Seiden¬ 
raupe mit, die glücklich auskrochen. Nun war das Geheimniß 
entdeckt, und der Seidenbau ward mit Eifer betrieben. Der
	        
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