Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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auf dasselbe vor den Augen der zahlreichen Zuschauer niederknien 
und öffentlich bekennen, daß er Gott vielfach beleidiget, die Geist¬ 
lichkeit geärgert, daS Volk schlecht regiert habe. Auf einem gro¬ 
ßen Zettel waren ihm seine Sünden verzeichnet, und mit Thränen 
in den Augen las er sie laut ab. Tann wurde ihm sein glän¬ 
zender Wafsenrock ausgezogen und das härene Bußkleid, auf 
dem er gekniet hatte, angelegt; zuletzt führte man den büßenden 
Kaiser in's Kloster. 
Jedoch erreichte Lothar seinen boshaften Plan nicht. DaS 
ganze Volk wurde entrüstet über ein so unnatürliches Verfahren 
eines Sohnes gegen seinen greisen Vater. Auch die beiden 
übrigen Brüder waren höchst unzufrieden über Lothar's Beneh¬ 
men, besonders über seine unersättliche Habsucht und nahmen 
sich des Vaters an. Da gütliche Vorstellungen nicht fruchten 
wollten, sammelte der jüngere Ludwig, welcher nachher der Deut¬ 
sche genannt wurde, schnell ein Heer und ging mit demselben 
auf Lothar los. Der Neberraschte sioh eiligst nach Paris und 
schleppte auf der Flucht seinen gefangenen Vater mit sich fort. 
Aber Ludwig setzte ihm in Eilmärschen nach, und Pipin rückte 
von der anderen Seite heran. In dieser Bedrüngniß ließ Lothar 
seinen Vater in dem Kloster St. Denis bei Paris; er selbst 
rettete sich durch die Flucht. So ward der Kaiser befreiet und 
feierlich in seine Würde wieder eingesetzt. Der gutmüthige Vater 
verzieh Allen, selbst mit dem pflichtvergessenen Lothar söhnte er 
sich wieder aus. Zu seiner nicht geringen Freude erhielt er auch 
seine Gemahlin wieder, die man früher ebenfalls in ein Kloster 
verwiesen hatte. Von nun an schien Alles beruhigt, Glück und 
Frieden bei ihm wieder eingekehrt zu sein. Doch dieses Glück, 
dieser Friede war nur scheinbar und von kurzer Dauer. Durch 
alles vorhergegangene Unglück nicht gewarnt, kam er wieder mit 
einer Ländertheilung znm Vorschein, damit nur ja sein Liebling 
Karl recht reichlich bedacht würde. Hierüber kam es zu neuen 
Mißhelligkeiten zwischen dem Kaiser und seinem Sohne Ludwig. 
Während der Zeit starb Pipin (839). Hätte nun der Kaiser
	        
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