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wir hier Andeutungen geben, ist nur ein Teil der Kulturgeschichte selbst. Diese
umfaßt gleichzeitig, was beu Fortschritt der einzelnen Völker nach allen Rich¬
tungen erhöhter Geistesbildung und Sittlichkeit bezeichnet. Wir gewinnen nach
einem eingeschränkten physikalischen Gesichtspunkte der Geschichte des mensch¬
lichen Wissens nur eine Seite ab, wir heften vorzugsweise den Blick auf das
Verhältnis des allmählich Ergründeten zum Naturganzen, wir beharren wieder
bei der Erweiterung der einzelnen Disziplinen als bei Resultaten, welche einer
Verallgemeinerung fähig sind oder kräftige materielle Hilfsmittel zu genauerer
Beobachtung der Natur in verschiedenen Zeitaltern geliefert haben.
Vor allem müssen sorgfältig ein frühes A h n e n und ein wirkliches
W i s f e n scharf von einander getrennt werden. Mit der zunehmenden Kultur
des Menschengeschlechtes geht man an dem ersten vorbei in das zweite über,
und ein solcher Übergang verdunkelt die Geschichte der Erfindungen. Eine
sinnige, ideelle Verknüpfung des früher Ergründeten leitet oft fast unbewußt
das Ahnungsvermögen und erhöht dasselbe wie durch eine begeistigende Kraft.
Wie manches ist bei den Indern und Griechen, wie manches im Mittelalter über
den Zusammenhang der Naturerscheinungen ausgesprochen worden, erst un-
erwiesen und mit dem Unbegründetsten vermengt, aber in späterer Zeit auf
sichere Erfahrung gestützt und dann wissenschaftlich erkannt! Die ahnende
Phantasie, die allbelebende Fähigkeit des Geistes, welche in Plato, in Columbus,
in Hegel gewirkt hat, darf nicht angeklagt werden, als habe sie in dem Gebiet
der Wissenschaft nichts geschaffen, als müsse sie notwendig ihrem Wesen nach
von der Ergründung des Wirklichen abziehen.
Da wir die Geschichte der physischen Weltanschauung als
die Geschichte der Erkenntnis eines Natur ganzen gleichsam
als die Geschichte des Gedankens von der Einheit in den Erscheinungen und
von dem Zusammenwirken der Kräfte im Weltall definiert haben, so kann die
Behandlungsweise dieser Geschichte nur in der Aufzählung dessen be¬
stehen, wodurch der Begriff von der Einheit der Erscheinungen sich allmählich
ausgebildet hat. Wir unterscheiden in dieser Hinsicht: 1. das selbständige Stre¬
ben der Vernunft nach Erkenntnis von Naturgesetzen, also eine denkende Be¬
trachtung der Naturerscheinungen: 2. die Weltbegebenheiten, welche plötzlich
den Horizont der Beobachtung erweitert haben; 3. die Erfindung neuer Mittel
sinnlicher Wahrnehmung, gleichsam die Erfindung neuer Organe, welche den
Menschen mit den irdischen Gegenständen wie mit den fernsten Welträumen
in näheren Verkehr bringen, welche die Beobachtung schärfen und vervielfältigen.
Dieser dreifache Gesichtspunkt muß uns leiten, wenn wir die Hauptepochen
(Hauptmomente) bestimmen, welche die Geschichte der Lehren vom Kos¬
mos zu durchlaufen hat. Um das Gesagte zu erläutern, wollen wir Beispiele
anführen, welche die Verschiedenheit der Mittel charakterisieren, durch welche die
Menschheit allmählich zum intellektuellen Besitz von einem großen Teile der
Welt gelangt ist, Beispiele von erweiterter Naturerkenntnis, von großen
Begebenheiten und von der Erfindung neuer Organe.