Full text: Bilder aus dem westlichen Mitteldeutschland (Bd. 6)

410 An der Saale. 
Würdigung und poetische Verklärung. Malerisch sind die Ufer besonders von 
der Stadt Saalseld an abwärts. Allerdings fehlt ihnen meist das Dunkel des 
Waldes. Die Berge stehen nackt, oft in grauem Geröll, und es verrät wenig 
malerisches Verständnis, wenn selbst Daniel den Dichter zitiert: 
„An der Saale kühlem Strande 
Stehen Burgen stolz und kühn." 
Kugler hat von dem hellen Strande gesnngen, und die Burgen sind es, 
welche, außer der Formation der Berge und außer dem Gegensatz der grünen 
Thalsohle zur Bergeshalde, die Saalufer malerisch machen. 
Zwei verhängnisvolle Walstätten. An Saalfeld knüpft sich eine 
schmerzliche Erinnerung. Wenig nordwestlich von der Stadt bei dem Dorfe 
Wolsdorf liegt ein Steinwürfel und nicht weit von ihm steht ein Denkmal, und 
beide tragen die Inschrift: „Hier fiel kämpfend für sein Vaterland der Prinz 
Ludwig von Preußen am 10. Oktober 1806." 
Endlich hatte Preußen das Band zerschnitten, an dem es von Napoleon 
gegängelt war. Die Preußen standen kampfbereit zwischen Gotha, Erfurt, Weimar 
und an der Saale bei Jena. Napoleon rückte von Bamberg aus gegen Norden. 
Da kam die Nachricht, daß General Tauentzien, der mit preußischen Vortruppen 
bei Hof stand, zurückgedrängt sei. Saalfeld mit seinen Magazinen schien in Gefahr. 
Fürst Hohenlohe, der die an der Saale stehende Armee befehligte, hatte seine 
Avantgarde unter dem Prinzen Ludwig Ferdinand über Saalfeld hinaus vor- 
geschoben. Dieser war es, der schou so lauge in Berlin an der Spitze der Kriegs- 
Partei gestanden hatte. Endlich sah er sich an dem Ziele, das still heranzuwarteu 
ihm bei seiner reichen Begabung und seinem feurigen Mute so unsäglich schwer 
geworden war: er sah sich dem gehaßten Feinde gegenüber und hoffte die nord- 
deutsche Kraft an ihm zu bewähren. Mit 8000 Mann, größtenteils Sachsen, stieß 
er am 10. Oktober bei Saalfeld mit 14 000 Mann vom Lannesschen Korps zu- 
sammeu. Der Feiud war uicht bloß übermächtig, er umgiug auch des Prinzen 
Stellung. Der Rückzug schien unvermeidlich, aber man wehrte sich noch; da kam 
die Reiterei von einem Angriff in Unordnung zurück. Der Prinz versuchte sie 
zum Stehen zu bringen und wieder zu ordnen. Vergebens, er wurde mit fort- 
gerissen, der Feind drängte nach; jetzt mochte sich retten, wer konnte. Der Prinz 
setzte über einen Zaun, aber sein Pferd blieb mit einem Fuße hängen, er wurde 
eingeholt. Der Wachtmeister Guindet vom 10. Husarenregiment hieb ihn über 
den Hinterkops und forderte ihn aus, sich zu ergeben. Der Prinz gab eine trotzige 
Antwort und setzte sich zur Wehre, aber schon stieß ihm sein Gegner den Säbel 
in die Seite. Sterbend brach der Prinz zusammen, und nicht einmal sein Leichnam 
konnte den Feinden entrissen werden. 
Das war das traurige Vorspiel der Schlacht bei Jena. Aber in dem 
mutigen Soldatentode des Prinzen und in der Stimmung, mit welcher das 
Volk denselben aufnahm, kündigte sich doch eine bessere Zeit, kündigte sich die 
große Zeit von 1813 leise an. Noch im Anfange der dreißiger Jahre habe 
ich als Kind einen Bänkelsänger von Prinz Ludwig Ferdinands Tode singen 
hören, und das war das erste, was ich davon vernahm. Die Verse lauten: 
„Des Freitags um halb zehne, Bon manchem braven Mann: 
Da ging das Vorspiel an, Prinz Louis mußte bleiben, 
Da floß so manche Thräne Das gab ein großes Weh, u. s. w."
	        
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