Object: Vaterländische Geschichtsbilder

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ste Wurfspeere und Pfeile, deren Spitzen aus scharfen Knochen gefertigt sind; im Hand- 
gemenge brauchen sie das Schwert. Während der Feind sich gegen ihre Schwerthiebe 
wehrt, wissen sie ihm mit der linken Hand eine Fangleine überzuwerfen, um ihn zu ver¬ 
stricken und wehrlos zu machen. 
Niemand bestellt bei ihnen den Acker, niemand berührt den Pflug. Ohne feste 
Wohnsitze, ohne Obdach, ohne Gesetz und Recht schweifen sie mit ihren Karren, die mit 
Fellen überzogen sind, umher. Die Karren sind die Wohnungen ihrer schmutzigen Weiber; 
dort weben diese die groben Kleider, dort ziehen sie die Kinder auf, bis sie erwachsen 
sind. — Treulos und unbeständig sind die Hunnen auch während eines Waffenstillstandes. 
Was ehrbar oder unehrbar ist, wissen sie so wenig zu unterscheiden, wie die Tiere des 
Waldes. Voll Lüge und Tücke sind sie und ohne Religion. An einen Vertrag fühlen 
sie sich nicht gebunden; unersättliche Goldgier beherrscht sie allein. Das ist das Wesen 
dieses wilden Menschenschlages." 
Zuerst trafen die Hunnen auf die Alanen zwischen Don und Wolga. 
Diese wurden geschlagen und zum Bündnisse gezwungen. Mit den Hunnen 
vereint, stürzten sie sich auf die Goten, die die Länder nördlich von der Donau 
zwischen Ostsee und Schwarzem Meere bewohnten. Sie waren in Ost- und 
Westgoten geschieden. Die Ostgoten wohnten zwischen Dnjestr und Don, 
die Westgoten westlich davon aus den Karpathen bis zur Donau. Der Völker¬ 
strom der vereinigten Hunnen und Alanen traf zuerst die Ostgoten. Der greise 
König derselben, Ermanrich, der den Untergang seines Volkes nicht erleben 
wollte, gab sich selbst den Tod und starb im 110. Lebensjahre. Die Ostgoten, 
durch Uneinigkeit geschwächt, mußten sich unterwerfen, ein Teil freiwillig, ein 
anderer nach hartem Kampfe, in dem der Nachfolger Ermanrichs fein Leben verlor. 
2. Die Westgoten. Mit Oftgoten und Alanen vereint, stießen nun die 
Hunnen auf die Westgoten nördlich der unteren Donau. Diese standen unter 
zwei Königen, von denen der eine bereits als Christ über Christen herrschte, 
während der andere noch Heide war. Das Christentum war den Westgoten 
durch den Bischof Ulfila oderWulfila (Wulf = Wolf, ila = et, also — Wölfel, 
Wölfchen) gepredigt worden, der, selbst ein Gote, in Konstantinopel Christ 
geworden und dann zu feinem Volke zurückgekehrt war. Er übersetzte die Bibel 
in die gotische Sprache. Dazu mußte er aus altdeutschen Runen, griechischen 
und römischen Buchstaben erst ein ganz neues gotisches Alphabet ersinnen. 
In den noch erhaltenen Resten dieser Bibelübersetzung, die in der Universitäts¬ 
bibliothek zu Upsala in Schweden aufbewahrt werden, besitzen wir eine der 
ältesten Proben deutscher Sprache. Dort beginnt z. B. das Vaterunser: 
Atta unsar thu in himinarn, veihnai namo thein. 
Vater unser du in (den) Himmeln, geweihet werde Name dein. 
Als sich die vereinigten Hunnen, Ostgoten und Alanen auf die durch 
Uneinigkeit geschwächten Westgoten warfen, entwich der heidnische Teil derselben 
in die Karpathen, der christliche dagegen bat durch Ulfila den römischen Kaiser 
Valens in Konstantinopel um Ausnahme im römischen Reiche. Dieser gewährte 
die Bitte, und so überschritten im Frühjahre 376 auf Schiffen, Kähnen und 
Flößen 200000 streitbare Goten mit Weil) und Kind die Donau, um alles 
Land zwischen Donau und Balkan in Besitz zu nehmen. Allein die habgierigen 
römischen Statthalter suchten sich durch ihre Not zu bereichern. Sie verkauften 
ihnen die Lebensrnittel zu hohen Preisen, bis die Goten zuletzt Weib und Kind 
als Kaufpreis hingeben mußten, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Als 
man nun auch ihre Fürsten bei einem großen Gastmahle meuchlings zu er¬ 
morden suchte, brach die Empörung aus. Mit wildem Grimme fielen sie über
	        
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