Hauptepochen im Erdenleben der Menschheit.
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Verhältnisse nach der Vernunft eingerichtet zu haben; und die andere, da sie
diese vernunftmäßige Einrichtung mit Freiheit zustande bringt.
Um unsre weitere Folgerung von der ersten Epoche anzuheben — dar- 13
aus, daß die Gattung noch nicht mit freier That ihre Verhältnisse nach der
Vernunft eingerichtet, folgt nicht, daß diese Verhältnisse überhaupt sich nicht
nach ihr richten, und es soll darum durch das erstere keineswegs das letztere
zugleich mit gesagt sein. Es wäre ja möglich, daß die Vernunft durch sich
selber, und ihre eigne Kraft, ohne alles Zuthun der menschlichen Freiheit, die
Verhältnisse der Menschheit bestimmte und ordnete. Und so verhält es sich
denn wirklich. Die Vernunft ist das Grundgesetz des Lebens einer Mensch¬
heit, so wie alles geistigen Lebens; und auf diese, und keine andere Weise soll
in diesen Vorträgen das Wort Vernunft genommen werden. Ohne die Wirk¬
samkeit dieses Gesetzes kann ein Menschengeschlecht gar nicht zum Dasein
kommen, oder, wenn es dazu kommen könnte, es kann ohne diese Wirksamkeit
keinen Augenblick im Dasein bestehen. Demnach, wo, wie in der ersten Epoche,
die Vernunft noch nicht vermittelst der Freiheit wirksam sein kann, ist sie als
Naturgesetz und Naturkraft wirksam; doch also, daß sie im Bewußtsein, nur
ohne Einsicht der Gründe, somit in dem dunkeln Gefühle (denn also nennen
wir das Bewußtsein ohne Einsicht der Gründe), eintrete und sich wirksam
erzeige.
Kurz, und auf die gewöhnliche Weise dieses ausgedrückt: die Vernunft 14
wirkt als dunkler Instinkt, wo sie nicht durch die Freiheit wirken kann. So
wirkt sie in der ersten Hauptepoche des Erdenlebens der menschlichen Gattung;
und hierdurch wäre denn diese erste Epoche näher charakterisiert und genauer
bestimmt.
Durch diese genauere Bestimmung der ersten Epoche ist, vermittelst des 15
Gegensatzes, zugleich auch die zweite Hauptepoche des Erdenlebens näher
bestimmt. Der Instinkt ist blind, ein Bewußtsein ohne Einsicht der Gründe.
Die Freiheit, als der Gegensatz des Instinkts, ist daher sehend, und sich deut¬
lich bewußt der Gründe ihres Verfahrens. Aber der Gesamtgrund dieses
Verfahrens der Freiheit ist die Vernunft; der Vernunft sonach ist sie sich be¬
wußt, deren der Instinkt sich nicht bewußt war. Demnach tritt zwischen
beides, die Vernunftherrschnft durch den bloßen Instinkt, und die Herrschaft
derselben Vernunft durch die Freiheit, noch ein uns bis jetzt neues Mittelglied
ein, das Bewußtsein oder die Wissenschaft der Vernunft.
Aber weiter: der Instinkt, als blinder Trieb, schließt die Wissenschaft ig
aus; darum setzt die Erzeugung der Wissenschaft die Befreiung von des In¬
stinkts dringendem Einflüsse, als schon geschehen voraus, und es tritt zwischen
die Herrschaft des Vernunftinstinkts und die Vernunftwissenschaft aber-