Full text: Lehrreiche und anmuthige Erzählungen aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte

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Es wurde gräßlich kalt, und der Schnee fiel ellenhoch. Da war 
die Noth unaussprechlich groß. Die Flüchtigen sahen nichts als 
Eisfelder, und auf diesen wimmelte es von Russen, welche an die 
Kälte gewöhnt und mit Allem reichlich versorgt waren. Aber wie 
stand es um die armen Franzosen! Sie hatten keine Nahrung; 
Pferdefleisch war ein köstlicher Bissen. Manche Soldaten saßen, 
vor Schmerz und Hunger fast wahnsinnig, im Schnee und kauten 
an ihren eigenen Händen und Füßen. Lumpen waren ihre Kleidung, 
die nächtliche Lagerstatt war das unabsehbare Schneefeld. Tausende 
und wieder Tausende kamen um, die Kanonen, das Gepäck, die 
Beute, der Raub, Alles ging verloren, und von der ganzen großen, 
schönen, französischen Armee entkamen kaum 30,000 aus Rußland. — 
Das war Gottes Finger! 
Der preußische Hülfshaufen, welchen der General Jork befeh¬ 
ligte, war nicht mit in dem großen Zuge nach Moskau gewesen. 
Napoleon, der wahrscheinlich den Preußen nicht traute, hatte sie nach 
der Ostseeküste mit dem Befehle geschickt, dort die russischen Städte 
und Festungen einzunehmen. Jork war aber eben nicht weit vor¬ 
gedrungen, und als er hörte, daß Napoleon auf dem Rückzuge sei, 
zog er mit seinen Kriegern auch langsam zurück, und freute sich 
heimlich, bald von den Franzosen loszukommen und sich mit den 
Russen zu vereinigen. Es gelang. In heftiger Verfolgung der 
Feinde eilte das russische Heer vorwärts und kam zwischen die 
fliehenden Franzosen und die langsam heranziehenden Preußen zu 
stehen. Jork that, als ob er nun gezwungen sei, sich zu ergeben, 
und schloß am 30. December 1612 mit den Russen einen Vergleich, 
nach welchem die noch 15,000 Mann starken preußischen Hittfs- 
truppen bis auf weiteren Befehl des Königs parteilos bleiben sollten. 
39. Preußens Losungswort: Mit Gott für König und 
Vaterland. 
Das große Unglück der Franzosen in Rußland blieb nicht ver¬ 
borgen. Die Preußen sahen zuerst die Hinkenden und Zerlumpten, 
die Erfrornen und Ausgehungerten, welche erzählten, wie ihr Kaiser 
Alles verloren habe und still nach Paris geflohen sei. Solche Bot¬ 
schaft war den Preußen ein liebliches Wort. Das hat Gott gethan, 
sagte Jeder, das sind des Himmels Zeichen. Wir müssen uns er¬ 
heben; jetzt oder nie ist es Zeit, die Feinde zu verjagen. —> Keiner 
war bange, daß diese schwere Arbeit mißlingen werde. Und nun 
kamen die russischen Truppen und sagten zu den preußischen Unter- 
thanen: „Wir sind Freunde," und der Kaiser Alexander erschien 
und sprach laut: „Ich bin der treueste Freund des Königs von 
Preußen." Solche Worte regten die Begeisterung noch mehr auf.
	        
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