Full text: Erzählungen aus der griechischen Geschichte (Theil 1)

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Als aber Astyages von ihrem Abfalle Kunde erhielt, brachte 
er alle Meder in die Waffen und setzte thörichter Weise zu ihrem 
Anführer den Harpagos. In dem Kampfe gingen die meisten 
Meder zu den Persern über, und nachher ward Astyages noch 
einmal überwunden und selbst gefangen. Kyros war nun König, 
fügte aber seinem Großvater weiter kein Leid zu, sondern behielt 
ihn bei sich. (560 v. Chr.) 
Da Krösos, König von Lydien, den seit Solons Abreise 
großes Unglück heimgesucht hatte, von dem Sturze des Astyages, 
der sein Schwager war, hörte, gedachte er die wachsende Macht 
der Perser zu vernichten, che sie zu mächtig werden würden, 
und wollte die Göttersprüche versuchen, ob er es wagen dürfte, 
gegen die Perser in den Streit zu ziehen. Um sich jedoch zuvor 
von der Wahrhaftigkeit der Orakel zu überzeugen, befahl Krösos 
seinen Boten, die er an verschiedene Orakel sandte, am hundert¬ 
sten Tage von ihrer Abreise aus Sardes die Frage an die Ora¬ 
kel zu thun, womit jetzt gerade Krösos beschäftigt sei. Was die 
übrigen Orakel antworteten, wird nicht erzählt, das Delphische 
aber gab den Spruch: 
„Sieh', ich zähle den Sand, auch kenn' ich die Tiefen des Meeres, 
Höre den Stummen sogar und den Schweigenden selber vernehm' ich; 
Jetzo dringt ein Geruch in die Sinne mir, wie wenn vereinigt 
Mit Lammfleische zusammen in Erz Schildkröte gekocht wird; 
Erz ist darunter gesetzt, Erz oben darüber gedecket." 
An demselben Tage nämlich schnitt Krösos eine Schildkröte 
und ein Lamm in Stücke, kochte es zusammen in einem ehernen 
Kessel und setzte einen ehernen Deckel darauf. Nun suchte Krösos 
den Delphischen Gott sich gnädig zu machen durch reichliche 
Opfer und Geschenke von Gold und Silber von ungeheuerem 
Werthe, die er nach Delphi schickte. Den Boten aber trug er 
auf, den Gott zu fragen, ob er gegen die Perser in den Streit 
ziehen sollte. Er erhielt die Antwort, daß er. wenn er gegen 
die Perser zöge, ein großes Reich zerstören würde. Krösos freute 
sich über den Spruch und hoffte nun ganz sicher, er würde des 
Kyros Reich zerstören. Daher beschenkte er alle Delphier und 
ließ zum dritten Mal fragen, wie lange seine Herrschaft dauern 
werde. Der Gott antworteten 
„Wenn dem Meder dereinst als König gebietet ein Manlthier, 
Dann, zartfüßiger Lyder, entfleuch zu dem steinigten Hcrmos! 
Halte nicht Stand, noch fürchte die Schmach feigherziger Eile!" 
Stacke, Griech. Geschichte. 7. Aufl. 8
	        
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