Full text: Erzählungen aus der griechischen Geschichte (Theil 1)

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Viele sollen unter den Streichen todt niedergesunken sein, ohne 
einen Laut von sich zu geben oder eine Miene zu verziehen. 
Den Knaben und Jünglingen war Ehrfurcht vor den 
Greisen zur Pflicht gemacht, sie mußten vor ihnen von ihren 
Sitzen aufstehcn und ihnen jederzeit Rede und Antwort stehen. 
Auch wurden sie gewöhnt, kurze, bündige, aber sinnreiche 
Antworten zu geben, weshalb wir noch jetzt eine Rede, die in 
wenigen Worten einen tiefen Sinn enthält, eine Lakonische 
nennen. 
Die strenge Lebensart der Spartaner ließ im Kriege etwas 
nach; vor der Schlacht zogen sie purpurne Gewänder an, 
schmückten ihre Haare mit Kränzen und zogen unter Flötenspiel 
dem Feinde entgegen. Die Gefallenen wurden mit Lorbeeren 
bekränzt bestattet, die Feigen und Flüchtlinge traf Schimpf und 
Schande. Bei solcher Tapferkeit bedurfte die Stadt keiner Mauern, 
denn die Tapferkeit der Bürger war ihr Schutz. 
Als Lykurgos seine Gesetzgebung vollendet hatte, berief er 
das Volk zu einer Versammlung und theilte ihm seinen Ent¬ 
schluß mit, nach Delphi zu reisen und das Orakel zu befragen, 
ob noch etwas zur Glückseligkeit und Tugend der Bürger hln- 
zuzusügen sei. Zuvor ließ er Alle schwören, die Gesetze bis zu 
seiner Rückkehr zu halten. In Delphi empfing er vom Orakel 
die Antwort, daß seine Gesetze vortrefflich seien und Sparta, so 
lange es sie befolgen werde, hochberühmt bleiben würde. Diese 
Antwort sandte Lykurgos den Spartanern schriftlich zu, denn 
er selbst wollte nie wieder in seine Vaterstadt zurückkehren, um 
nicht durch seine Rückkehr die Spartaner von ihrem Eide zu 
entbinden. Da er sich durch seine Gesetze einen dauernden Ruhm 
erworben hatte, so glaubte er zur Erlangung der Glückseligkeit 
lange genug gelebt zu haben, und endigte sein Leben freiwillig 
dadurch, daß er sich aller Nahrungsmittel enthielt. Nach einer 
andern Nachricht starb er in Kreta, nachdem er vorher befohlen, 
seine Asche in das Meer zu streuen, damit nicht etwa die Spar¬ 
taner seine irdischen Ueberreste nach Sparta brächten und sich 
dadurch von der Erfüllung ihres Eides entbunden glaubten.
	        
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