Full text: Geschichte der neueren Zeit (Abth. 3)

90 
Geschichte der neueren Zeit. 
Iwan HI. 
(reg. 1472 
bis 1505) 
Gründer der 
russischen 
Macht. 
ihm dichteten Korneille, Racine, Moliöre, Lafontaine, Boi- 
leau, blühten Bossuet, Fenelon, Paskal; er baute eine 
Sternwarte, hob die Akademie, so daß er für die französische 
Literatur ein sogenanntes goldenes Zeitalter herbeiführte. Die 
französische Kultur wurde dadurch in Europa vorherrschend, die fran¬ 
zösische Sprache verdrängte die lateinische als internationale Sprache 
(der westfälische Friede wurde noch in lateinischer Sprache abgefaßt), 
sie wurde die Sprache aller Vornehmen und Gebildeten. 
Für Deutschland wurde der Einfluß der französischen Kultur 
schädlicher als die französischen Eroberungen und Mordbrennereien; 
denn viele Fürsten (es gab rühmliche Ausnahmen) ahmten den Despo¬ 
tismus , die Verschwendung, die Lüste des französischen Königs nach, 
nicht aber seine besseren Seiten; die vornehmen Stände aber richteten sich 
nach diesem Beispiele von Oben, so daß in Deutschland Sitte, Sprache, * 
Kunst und Wissenschaft verwälschte und nur der Bürger und Bauer deutsch 
blieb. Das deutsche Nationalbewußtsein, welches der 30jährige Krieg ge¬ 
trübt hatte, litt noch mehr durch die Erbärmlichkeit des Reichstags und 
der Reichsarmee und wurde durch die Hingabe der Vornehmen an das 
Franzosenthum fast gänzlich ausgelöscht. 
Sechstes Kapitel. 
Nutzland und Preutzen kommen empor. 
Rußland von der Mongolenherrschaft bis auf Peter I. 
(1238—1689). 
§ 235. Die Herrschaft der Großchane der goldenen Horde 
(mongolisches Reich Kiptschak) über Rußland dauerte bis über die 
Mitte des 15. Jahrhunderts, die asiatische Barbarei und Despotie 
wirkte demnach lange genug auf das russische Volk und besonders auf 
den Adel ein, um tiefe Spuren zurückzulaffen. Die Großchane hinderten 
jedoch ihre russischen Vasallenfürsten nicht immer, wenn dieselben ein¬ 
ander selbst oder die Lithauer, die Schwertbrüder und die Polen bekrie¬ 
gen wollten, und seitdem das große Mongolenreich in mehrere Chᬠ
ñate zerfallen war, gelang es Iwan III., dem Großfürsten von Mos¬ 
kau, von 1477—1480 die mongolische Oberherrschaft abzuwerfen. 
Er vereinigte Twer, Nowgorod, Pskow (Pleskow) und Wiätka 
mit seinem Reiche, eroberte das nördliche Sibirien bis an den 
Obi, kriegte glücklich mit Lithauen und Polen, wurde aber bei dem 
Angriffe auf Livland von den Schwertbrüdern geschlagen. Er nannte 
sich zuerst Selbstherrscher aller Reußen (den byzantinischen 
Titel »Autokrator" nachahmend), nahm den byzantinischen Doppeladler 
zum Wappen und betrachtete sich als den eigentlichen Erben des letzten 
byzantinischen Kaisers Konstantin XI., weil seine Gemahlin Sophia 
eine byzantinische Prinzessin war.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.