fullscreen: Vaterländisches Lesebuch für die obern Klassen in den Volksschulen Bayerns

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216. Der Vesuv. 
einige kleinere Öffnungen sind daneben. Am Fuße die,es kleinen 
Kraters bemerkt man an verschiedenen Stellen, deren Zahl sich 
vermehrt, sobald es dunkel wird, das Feuer der Erde. Wie düster¬ 
rote Kohlenglut sieht man hier das Gestein des Berges brennen; 
zwischen dem Feuer hin ziehen sich Lagen der schwarzen, mit gelbem 
Schwefel überzogenen Erde. Die innere Wand des Kraters ist 
steil und gewährt dem Auge eine gar wilde, schauerlich öde Ansicht. 
Unter unsern Füßen brüllt der Donner der Erde, dumpf 
wie der Kanonengruß ferner Meerschiffe, bald tiefer, dumpfer, 
grauenvoller, wütender, ein Getöse hohl zusammenschlagender 
Felsenberge. Ein Atemzug der Stille, und der dichte, graue 
Dampf, der über der Öffnung des kleinen Kegels schwebt, rötet 
sich, rötet sich heißer, glühender, brennender. Ein breiter 
Flammenstrahl fährt sausend, Uschend, rollend empor; ein Strauß 
Glut sprühender Steine und Asche steigt funkelnd über das 
Feuer hinaus in die Nacht und fällt rings auf den kleinen Kegel 
nieder, wo die Feuerbälle verdampfen und langsam erkalten. 
In Zwischenräumen von etwa 10 Minuten wiederholt sich immer 
dasselbe Schauspiel. 
Die Geschichte wußte nichts davon, daß der V e s u v ein Vulkan 
sei; keine Kunde von irgend einem Ausbruche desselben war vor¬ 
handen. Auf dem Berge bestand eine große, flache, mit wildem Wein 
überrankte Vertiefung, in welcher Spartakus mit 10000 Mann 
während des Sklavenkrieges sein Lager aufschlug. Ihr äußerer 
Abhang war mit fruchtbaren Feldern bedeckt, und am Fuße blühten 
die Städte Herkulanum, Pompeji und Stabiä. Im Jahre 79 
n. Chr., unter der Regierung von Titus, aber hatte der Vesuv 
den ersten geschichtlich bekannten Ausbruch, über welchen uns 
die Briefe des jüngeren Plinius, die er über den Tod seines 
Onkels, des römischen Naturforschers Plinius, an Tacitus schrieb, 
guten Bericht hinterlassen haben. Diese interessante Schilderung 
mag uns in die nähere Erkenntnis der vulkanischen Wirksamkeit 
einführen. Man meldete Plinius, dem Befehlshaber der Flotte 
von Misenum, es erscheine in den Lüften eine Wolke von unge¬ 
heurer Größe und auffallender Art. Er bestieg eine Anhöhe, 
um die Erscheinung besser beobachten zu können. In der Ferne 
erhob sich die Wolke — später erfuhr man, daß sie vom Vesuv 
aufstieg — ähnlich einem hoch in die Lüfte aufstrebenden Baume, 
ähnlich am meisten einer Pinie; denn sie erhob sich „wie ein 
langer Stamm in die Höhe und teilte sich dann in Äste, die 
sich schirmartig ausbreiteten. Sie erschien bald weiß, bald 
unrein und dunkel gefleckt. Plinius konnte der Versuchung nicht 
widerstehen, das große Ereignis in der Nähe zu beobachten, 
ließ Schiffe bemannen, steuerte auf die Gefahr hin in geradester 
Richtung ohne alle Furcht und verzeichnete jede Bewegung und 
Gestalt des Naturungeheuers in seine Schreibtafel. Bald aber 
fiel Aschenregen mit Bimssteinen und andern vom Feuer schwarz
	        
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