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licher ihr nahe. Die standhafte Frau fand jedoch Mittel, aus ihrer Haft
zu entrinnen. Von einer einzigen Kammerfrau und einem Thürsteher be¬
gleitet, fuhr sie in der Tracht einer Bäuerin auf einem Leiterwagen nach
Sachsen. Hier nahm ihr Oheim, der Kurfürst Johann der Bestän¬
dige, sie aus und sie lebte nun bis zu dem im Jahre 1535 erfolgten
Tode ihres unversöhnlichen Gemahls auf dem Sommergute Lichtenburg an
der Elbe. Ihr Sohn, der Kurfürst Joachim II., rief sie zurück. Ihrer
Lehren eingedenk, führte er im Jahre 1539 die Reformation in allen sei¬
nen Landen ein, ohne jedoch vom Kaiser zu lassen und dem Schmalkaldi-
schen Bunde beizutreten.
Auch Elisabeth's Tochter — gleichfalls eine Elisabeth — war
eine Beschützerin der Reformation. Sie war an den Herzog Erich I.
von Braunschweig vermählt, einen biederen und tapferen Herrn, der
viel am kaiserlichen Hofe und als Feldherr gegen die Türken im kaiser¬
lichen Heere sich aufhielt. Er hielt am katholischen Glauben fest, dennoch
wagte es Elisabeth im Jahre 1538, mit den Hofdamen das Abendmahl
unter beiderlei Gestalt zu feiern und einen evangelischen Prediger —
Anton Corvinus aus Hessen — nach Braunschweig zu berufen.
Erich I. sah dies zwar nicht gern, doch enthielt er sich jeder Einrede, und
als einige Hoftente ihn ermahnten, den ketzerischen Prediger aus dem Lande
zu weisen, erwiderte er: „Weil uns die Frau in unserem Glauben nicht
hindert, wollen wir sie auch in ihrem Glauben nicht betrüben." Diese
Nachsicht ehrend, ging die Fürstin in der Begünstigung W evangelischen
Lehre auch nur allmählich zu Werke, und erst nach dem 1540 erfolgten
Tode ihres Gemahls führte sie mit Hülfe des obengenannten Corvinus
die Reformation in den braunschweigischen Landen ein, wo man sie überall
freudig aufnahm. Während der Minderjährigkeit ihres Sohnes Erich II.
führte sie die Regierung, und obgleich sie sich zum zweiten Male — jetzt
mit einem Grafen von Henneberg — vermählte, blieb ihre Sorgfalt doch
stets auf die Verwaltung des Landes Braunschweig und auf die Erziehung
ihres hoffnungsvollen Sohnes gerichtet. Wie mütterlich und milde ihre
Regierung gewesen ist, erhell: unter Anderm aus einem Sendbriefe, den
sie „als ein schwach Werkzeug Gottes und Weibsbild" (wie sie sich selbst
nannte) an ihre Unterthanen schrieb. Hierin sagt sie: „Wir können wohl
erkennen, daß Euch die Bürde, so Ihr traget, schwer genug wird. Es
wird's auch Gott richten an jenem Tage und uns Zeugniß geben, wie wir
allezeit ein mütterlich Mitleid mit Euch getragen, und wollten, es stünde
unsers freundlich lieben Sohnes Gelegenheit also, daß man Euch gar nicht
beschweren dürfte. Denn so Ihr verdorben werdet, so wird unser lieber
Sohn, Euer Landesherr, auch verdorben."
Leider wurde ihr die Liebe für den Sohn und ihr Land schlecht ge¬
lohnt, noch dazu von eben diesem treu gepflegten und erzogenen Sohne.
Erich II. trat 1546 die Regierung an und zeigte sogleich, daß er seinem