Full text: [Neuere Geschichte] (Theil 3)

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wie kein Tribun vor ihm; er schlug neue Gesetze vor, durch welche das Volk 
Macht und Vortheil erhielt, und was beschlossen war, das führte er dann mit 
bewundernswerther Entschlossenheit durch. Ein Gesetz war: die armen Bür¬ 
ger sollen das Korn wohlfeiler bekommen; ein anderes: kein Bürger darf ohne 
Beschluß des Volks zum Tode verurtheilt werden; ein drittes: der Senat hat 
nicht mehr über die Verbrechen gegen den Staat zu richten. In Italien ließ 
er große und prächtige Landstraßen bauen, um dem Volke Arbeit und Verdienst 
zu verschaffen; in den eroberten Ländern gründete er neue Städte, daß die 
armen Bürger sich dort anbauen möchten. 
2. 
Während er auf einer solchen Reise nach Afrika zur Gründung einer neuen 
Stadt sich befand, setzten die Vornehmen alle ihre Macht in Bewegung, 
daß Kajus nicht wieder zum Tribun gewählt wurde.' Sie theilten Geld unter 
den Pöbel aus, thaten auch dem Volke Manches zu Gefallen, und versicherten 
dabei, sie wollten das Beste des Volks, aber Kajus wollte sich zum Tyrannen 
machen, und das dürfte Niemand leiden. 
Als Kajus nun nach Rom zurückkehrte, war das Jahr seines Tribunals 
fast abgelaufen, und dann war er nicht mehr eine heilige und unverletzliche 
Person. So warb er denn von Neuem um die Würde eines Volkstribuns, 
aber ersah schon, daß Manche von ihm abgefallen waren, und er ahnte, was 
ihm bevorstand. „Wohin soll ich mich wendend" rief er in seinem Schmerz. 
„Auf das Kapitol? es trieft noch vom Blute meines Bruders! Nach Haus? 
damit ich meine Mutter, die arme, beklagenswertste, sehe? Ich bin euer Freund, 
ihr seid mein einziger Schutz!" 
Nun kam der Wahltag heran. Die Patricier bewaffneten sich, ihre Skla¬ 
ven und ihre Anhänger; viele von den Freunden des Kajus thaten eben so; 
sie wachten die Nacht vor seinem Hause. Am Morgen, als er seinen Mantel 
umwarf, verbarg er einen Dolch darunter; an der Thür warf seine Gattin 
mit ihrem Kinde sich ihm zu Füßen, und beschwor ihn flehend, zu bleiben. Er 
aber wand sich aus ihren Armen los und ging zur Versammlung. Sobald 
der Senat erfuhr, die Versammlung habe begonnen, wurde dem Konsul alle 
Macht übertragen mit den Worten: „Der Konsul mag darauf sehen, 
daßder Staat keinen Schaden leide!" Da eilte der Konsul mit seinen 
Bewaffneten aus den aventinischen Hügel, wo das Volk versammelt 
war; unverzüglich griff er an, und es begann ein blutiger Kampf. Die An¬ 
hänger des Kajus waren bald niedergehauen, die meisten flohen und verließen 
ihn. Da wünschte er in Verzweiflung ewige Knechtschaft diesem feigen und 
undankbaren Volke und zuckte den Dolch aus seine eigene Brust. Zwei seiner 
Freunde, die letzten, welche bei ihm geblieben waren, rissen ihm die Waffe aus 
der Hand und zogen ihn fort zur Flucht. Die Verfolger waren schon ganz 
nahe; der eine Freund, Pomponius, trat ihnen im Thore entgegen und hielt 
sie fechtend auf. Doch er ward niedergestreckt und über seine Leiche stürzten 
sie dem Kajus nach. Auf der Tiberbrücke blieb der andere Freund, L ätorius, 
stehen, und wehrte sie so lange ab, bis er nicht mehr konnte; dann stieß er sich 
sein Schwert in die Brust und sprang in die Tiber. Kajus hatte sich den Fuß 
verletzt; aus allen Häusern am Wege schrieen die Leute ihm zu: „Schnell ! 
Schnell!" Aber Keiner brachte ihm ein Pferd, Keiner half ihm. 
Da sank er ermattet hin; nur ein Sklave war noch bei ihm, den bat er,
	        
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