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den Katholiken verstattete er freie Religionsübung. Die italienischen
Provinzen neigten sich zu Spanien; Böhmen schwankte, Mähren
hielt sich neutral. In dieser Noth traf Maria Theresia das rechte
Mittel. Sie wandte sich nach Ungarn und berief einen großen Reichstag
nach Preßburg. Mit ihrem Kinde, dem nachmaligen Kaiser Joseph II.,
in den Armen, trat sie vor die Versammlung und sprach im Gefühle ihrer
Würde und ihres Unglücks, Thränen in den Augen: „Von meinen Ver¬
wandten und Nachbarn, die alle die pragmatische Sanktion beschworen ha¬
ben, angegriffen, ohne Bundesgenossen und Freund, komme ich zu Euch,
Ihr Getreuen! Euerer Tapferkeit übergeben wir uns und unser Kind, mit
voller Zuversicht, daß Ihr nicht dulden werdet, daß Euere Königin von
den Feinden ihres väterlichen Erbes beraubt wird." Hingerissen von dem
Eindrücke der Rede und der Anmuth ihrer jungen, schönen Königin, erho¬
ben sich die Magnaten in glühender Begeisterung. „Unser Leben für un¬
sere Königin Maria Theresia!" riesen sie, die bloßen Schwerter erhebend,
und bald sollten die Verbündeten die Gewalt dieses ritterlichen und vater¬
ländischen Patriotismus fühlen. In aller Eile wurden im ganzen Reiche
Truppen geworben, Kriegsvorräthe aller Art herbeigeschafft, außerordent¬
liche Steuern bewilligt, der sämmtliche Adel eilte in wohlgerüsteten Rei-
terschaaren, denen auch bald zahlreiches Fußvolk nachfolgte, an die Grenzen
und die Großen des Reiches, die Grafen Nadaschdi, Festetitsch,
Batthiani, führten sie in freudigem Muthe an. Mit Ungestüm warfen
sie die Feinde, wo sie dieselben fanden; die Franzosen und Baiern mußten
Prag verlassen, ganz Baiern fiel in ihre Hände, und der schwache, unglück¬
liche Kaiser Karl VII., seiner Erblande beraubt, gerieth in solche Noth,
daß er seinen Unterhalt nur durch französische Unterstützung zu bestreiten
vermochte.
Das Beispiel dev Ungarn fand jetzt auch in den übrigen Erbländern
begeisterte Nachahmung, und allenthalben sammelte sich zahlreiches Kriegs¬
volk unter Maria Theresia's Fahnen. Die getreuen Tyroler bra¬
chen zuerst los und verjagten die eindringenden Baiern; der König von
England aber, Georg II., kam in Person mit einem Heere nach Deutsch¬
land, um für die Erhaltung Oestreichs zu kämpfen. Wir wollen unsere
Erzählung des verwickelten östreichischen Erbfolgekrieges nicht bis
zur Schilderung der einzelnen Schlachten und Waffenthaten ausdehnen, da
wir später der Blutscenen noch genug zu schildern haben, die nicht umgan¬
gen werden können. Des französischen Befehlshabers Bel leis le kühner
und barbarischer Rückzug von Prag nach Eger mitten im Winter nützte
nur seinem eigenen Ruhme, aber nicht der Sache der Verbündeten. Nach
der Schlacht bei Dettingen wurden die Franzosen über den Rhein ge¬
drängt, Baiern war von den,Oestreichern besetzt, der arme Kaiser lebte
von französischem Almosen. Sachsen schloß sich an Oestreich an, in Ita¬
lien verfolgte man den Feind bis Genua. Bald aber gewann die Lage
der Dinge wieder eine ländere Gestalt. England wandte sich gegen
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