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oder menschliche Geltung berührte. Karlstadt zog schon im Beginne der
Reden den Kürzern gegen Eck's gewandte Redekunst und schlagfertige
Gelehrsamkeit. Als aber Luther auftrat, wurde die Sache anders. „Luther",
so lautet die Schilderung, „war von mittlerer Gestalt, damals noch sehr-
hager; er besaß nicht jenes donnernde Organ seines Widersachers, noch
sein in mancherlei Wissen fertiges Gedächtuiß, noch seine Uebung in den
Kämpfen der Schule. Aber auch er stand in der Blüthe des männlichen
Alters, seinem sechsunddreißigsten Lebensjahre, in der Fülle der Kraft; seine
Stimme war wohllautend und deutlich; er war in der Bibel vollkommen
zu Hause und die treffendsten Sprüche stellten sich ihm von selbst dar.
Vor Allem flößte er das Gefühl ein, daß er die Wahrheit suche. Zu
Hause war er immer heiter, ein scherzhafter, vergnügter Tischgenosse, und
auf das Katheder nahm er wohl einen Blumenstrauß mit; hier aber ent¬
wickelte er den kühnsten, selbstvergessendsten Ernst; aus der Tiefe einer
bisher noch nicht zum vollkommenen Bewußtsein gediehenen Ueberzeugung
erhob er neue Gedanken und stellte sie im Feuer des Kampfes mit einer
Entschlossenheit fest, die keine Rücksicht mehr kannte. In seinen Zügen
las man die Macht der Stürme, welche seine Seele bestanden; den Muth,
mit dem sie andern noch entgegenging. Sein ganzes Wesen athmete
Tiefsinn, Freudigkeit und Zukunft." Der Erfolg dieser Dispation war
eine vollkommene Spaltung der Meinungen. Eck half sich mit dem Vor¬
wurf der Ketzerei, und seine Anhänger suchten ein thörichtes Mährchen zu
verbreiten, daß Luther vermittelst einer Rose und eines Ringes sich
unüberwindlich zu machen wisse.
Doktor Eck richtete mit seinen Verdächtigungen wenig aus und die
Zahl der Anhänger Luther's vergrößerte sich von Tag zu Tage. Jetzt
erschien die Bannbulle Leo's X., deren Verbreitung in seinem Lande Kur¬
fürst Friedrich einfach verbot. Er war überzeugt, daß man Luthern
Unrecht thue. Dieser selbst, dessen Briefe an den Papst unbeantwortet
blieben, fühlte sich wohl schon von jeder Verpflichtung gegen das Ober¬
haupt der Kirche losgesprochen, durch das er wie ein Abtrünniger aus der
christlichen Gemeinschaft ausgestoßen wurde. Er setzte der Bannbulle eine
derbe, kraftvolle Schrift: „Von den neuen Eckischen Bullen und
Lügen" entgegen, in welcher er die Bullen nicht als ein Werk des Papstes,
sondern des Antichrists bezeichnet und seine Appellation an den Papst
erneuerte. Dabei ging er doch noch immer in gewisser Weise schonend zu
Werke; er suchte sowohl bei seiner Vertheidigung als bei seinen Angriffen
die Person des Papstes zu umgehen. Jndeß konnte diese absichtliche Schonung
unter den gegebenen Verhältnissen nicht lange Stich halten. Bald richteten sich
die Angriffe gegen die persönliche Gewalt des Kirchenhauptes und zwar zunächst
in den beiden Schriften: 1) „An den Adel deutscher Nation von des
christlichen Standes Besserung" und 2) in dem Buche: „Von der
babylonischen Gefangenschaft der Kirche;" in jenem behandelte er
hauptsächlich die äußere Ordnung der Kirche, „damit ihr, so Gott will
Oeser's Weltgeschichte. III. 5. Ausl. 2