Full text: Geschichte der Alten Welt (Theil 1)

Die Griechen. 
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mit einem Umfang von 56 % Stadien, die beide durch die sogenannten 
langen Mauern (von 40 und 35 Stadien) mit einander verbunden 
waren; alle Festungswerke waren von solcher Stärke und Höhe, daß die 
nicht zum Auszug bestimmte Mannschaft für die Vertheidigung voll¬ 
kommen hinreichte. Innerhalb dieser Mauern wohnten in mehr als 
10,000 Häusern (nach einer Schätzung) ungefähr 180,000 Menschen, in 
ganz Attika aber gegen 500,000, worunter 90,000 Bürgerliche, 45,000 
Metöken, 360,000 Sklaven waren. Die Metöken betrieben besonders 
Handel und Fabriken, letztere hauptsächlich durch Sklavenarbeit, wie 
auch die reichen Bürger ihre Metallgruben im laurischen Berge, in 
Thrakien u. s. w. durch Sklaven ausbeuteten. 
§ 265. Die Häuser auch der reichsten Bürger waren sehr einfach; 
dagegen schmückte Perikles die Stadt mit öffentlichen Gebäuden und 
Kunstschätzen auf das herrlichste. Auf der Burg bauten Iktinus und Kunstschätze. 
Kallikrates in zehn Jahren den neuen Tempel der Stadtgöttin, daS 
Parthenon, eines der edelsten Gebäude aller Zeiten; der große Bild¬ 
hauer Phidias zierte es mit Skulpturen, welche noch heute bewundert 
werden (die uns erhaltenen brachte Lord Elgin in das britische Mu¬ 
seum); die Bildsäule der Göttin arbeitete er aus Elfenbein und Gold, 
und letzteres war so angebracht, daß es im Nothfalle hinweggenommen 
werden konnte. Auf die Burg führten die Propyläen, eine pracht¬ 
volle Marmvrtreppe mit einem fünf Säulenhallen bildenden Thore und 
zwei Seitengebäuden (von Mnesikles erbaut, sie kosteten 2012 
Talente). Außerdem erbaute Perikles das Odeon zur Aufführung 
poetischer und musikalischer Wettstreite, Hallen, Brunnen, Gymna¬ 
sien re.; er beschäftigte nicht nur Tausende von Taglöhnern und Hand¬ 
werkern, sondern auch zahlreiche Künstler: Bildhauer, Maler, Erzgießer, 
Architekten; die griechische Kunst entfaltete sich dadurch zur schönsten 
Blüte, und Athen wurde zur Kunstschule Griechenlands und der 
alten Welt. 
§ 266. Es wurde auch der Sammelplatz der Dichter und Sän- ^hen die 
ger; denn nirgends wurden die Feste der Götter herrlicher began- ^vorchE- 
gen als in Athen, und es war eine der Leistungen reicher Bürger, auf lichenKuliur. 
eigene Kosten einen Festchor aufzustellen (eine solche Choregie kostete 
beinahe ein Talent). Das Theater hatte in der guten Zeit Griechen¬ 
lands eine hohe Bedeutung, denn es war eine Art Bildungsanstalt; 
Perikles öffnete auch den armen Bürgern den Zutritt, indem sie aus 
einer eigenen Kasse (Theorikon) das Eintrittsgeld erhalten konnten. Da¬ 
mals lebten in Athen die großen Tragiker Aeschylus, Sophokles 
und Euripides, sowie die Meister der alten Komödie: Aristopha- 
nes, -Eupolis und Kratinus. Daß die Beredtsamkeit außer¬ 
ordentlich gepflegt wurde, versteht sich von selbst; daher fanden sich auch 
die besten Lehrer der Beredtsamkeit und Sprache in Athen ein, sowie 
Philosophen jeder Schule. 
§ 267. So wurde Athen der Mittelpunkt des geistigen Lebens 
jener Zeit und das athenische Volk das gebildetste, das bis jetzt auf der 
Erde lebte; aber dabei war cs auch leichtsinnig, müßiggängerisch und Schattcnsci. 
übermüthig, daher den Künsten der Demagogen leicht zugänglich, sobald 
Männer fehlten, wie Perikles, der durch seine Ueberlegenheit als Feld¬ 
herr und Redner, durch seine allseitige Bildung und erprobte Uneigen-
	        
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