Die ältesten Staaten.
17
des Himmels, mit Tempel zu Theben, der Sonnengott, Ra, mit Tempel
zu On (Heliopolis). Der Sonnenkult der Aegyptier unterschied aber
verschiedene Sonnengötter, entsprechend den Stellungen der Sonne im
Verlause der Jahres- und Tageszeiten, als Sonne des Frühlings,
Sommers und Winters, als Morgen-, Mittag-, Abend- und Nachtsoune.
Der gefeiertste war Osiris (Hesiri), Bruder und Gemahl der Jstö
(Hes); er wird von seinem feindlichen Bruder Seti (von den Griechen
ihrem Typhon verglichen) ermordet, von seinem Sohne Horus (Har,
bei den Griechen Apollo), gerächt und Seti vertrieben, d. h. die Sonne
weicht zurück gegen Süden, die heißen Winde aus der Wüste drohen
die Vegetation Aegyptens zu versengen, der Nil, der Sonnenstrom,
nimmt immer mehr ab; da verjüngt sich die Kraft der Sonne, der Nil
wächst wieder an und befruchtet das Land von neuem; Aegypten feiert
statt der Trauerfeste wieder Freudenfeste.
Die ägyptischen Naturgottheiten sind aber meistentheils auch sittliche
Mächte, wie z. B. Osiris, Isis und Horus, besonders tritt Thot (Her¬
mes bei den Griechen) hervor, der Geber aller Wissenschaft und Kunst;
es gibt besondere Gottheiten der Wahrheit und Treue, selbst eine Göttin
(Saf), welche über die Bibliotheken wacht.
8 45. Die Aegyptier erblickten in einzelnen Thieren das Wirken Thicrkult.
der Götter besonders deutlich, daher waren ihnen diese Thiere heilig;
so verehrte das ganze Land den Stier Apis (Hapi, wie auch der Nil
heißt), der besondere Kennzeichen trug, als lebendes Abbild des Osiris;
so war die Kuh der Isis heilig und durfte nicht geschlachtet werden,
die Katze der Pacht, der Ibis dem Thot u. s. w.; andere Thiere waren
nur in gewissen Bezirken heilig, in andern nicht, z. B. daS Krokodil,
das Schaf, die Ziege, der Hund rc. Bei solchem Aberglauben ist es
begreistich, daß die Aegyptier überall Wunder und Zeichen erblickten,
sowie daß ihnen die Fremden als gottlos und unrein erscheinen mußten.
Daher konnten sich Griechen und Phönikier in Aegypten erst dann nieder-
lassen , als die Nation bereits im Verfalle war, aber auch da konnte
sich ein echter Aegyptier nicht dazu entschließen, sein Vaterland aufzu¬
geben und sich unter Fremden niederzulassen.
§ 46. Die ägyptischen Priester lehrten die Unsterblichkeit der
Seele, nach der Behauptung der griechischen Schriftsteller auch die
Seelenwanderung. Dieses Schicksal traf jedoch keineswegs alle Ge¬
storbenen ; denn wie bildliche Darstellungen und Gebete zeigen, wandert
die abgeschiedene Seele in die Unterwelt, die im Westen liegt, und
stellt sich vor das Tod tengericht (Osiris, Isis, Thot, Anubis und
72 untergeordnete Beisitzer). Der Verurtheilte wandert in die Hölle,
der Gerechtfertigte in die Gefilde der Seligen („Weißglänzenden"), wo
er alle Freuden des Erdenlebens in höherem Maße genießt. Bevor der
Leichnam des Aegyptiers im Grabe Aufnahme fand, wurde derselbe Die Mu¬
riner letzten Reinigung unterworfen. Eingeweide und Gehirn wurden
herausgenommen, dann der Leib in eine Lösung von Laugensalz gelegt,
alsdann mit Oelen bestrichen und mit harzigen Stoffen ausgefüllt, die
einzelnen Glieder und zuletzt der ganze Leib vielfach mit feinen Leiuen-
binden umwunden, hierauf in den mannigfach verzierten Sarg aus Sy-
komorcnholz gelegt und in feierlichem Geleite in eines der Felsengräber
gebracht, welche immer auf der Westseite der Städte, im libyschen Ge-
B umüller, Weltg. 9