Pflanzung und Ausbreitung des Christentums. 125
Christentums nicht; obgleich die rohe Wut des römischen Volkes sich
öfters gegen die Christen wandte, vergingen doch fast 100 Jahre, ehe
der Staat daran dachte, das Christentum zu vernichten. Um so sicherer
konnte dieses sich verbreiten. Von dem jüdischen Lande war es zu den
Heiden gekommen und hatte hier in Antiochien in Syrien seinen ersten
Mittelpunkt gefunden. Von dort trug es der Heidenapostel Paulus von
Stadt zu Stadt durch Kleinasien, von hier über Griechenland nach der
Welthauptstadt Rom. Auf diesen Reisen predigte er überall zunächst
den Juden in ihren Synagogen den verheißenen Messias; als diese
widersprachen, erfolgte die Gründung selbständiger Christengemeinden, die
zuerst fast aus lauter sogenannten Proselyten bestanden. Paulus fand
nicht nur in Rom, sondern auch schon in dem kleinen Pnteoli in jSam*
Partien eine Christengemeinde. Im Osten des Reiches, wo die jüdische
Bevölkerung stärker war, war auch wohl die Zahl der Christen größer;
Petrus kam nach Babylon, Edeffa wurde früh ein Mittelpunkt der Kirche.
Durch die Römer kam das Christentum nach Afrika, Gallien, Britannien
und Germanien. Tacitns redet schon zu Neros Zeiten von einer „nnge-
Heuren Menge" der Christen in Rom. So ist anzunehmen, daß das
römische Reich schon am Ende des ersten Jahrhunderts mit einem Netze
von Christengemeinden bedeckt war.
Diese Ausbreitung geschah zunächst durch Missionare. (Ap.-Gesch.
13, 2.) Späier wurden von den städtischen Gemeinden Missionare auf
die Dörfer geschickt, um hier das Evangelium zu predigen. Aber auch
der Verkehr zwischen den Städten beförderte die Verbreitung. Reisende,
Handwerker und Geschäftsleute, wie Aquila und Priscilla in den Briefen
Pauli, verbreiteten das Evangelium. Auch öffentliche Predigt auf
Straßen und Plätzen fehlte nicht (Paulus in Athen). Zur fortwährenden
Befestigung dienten die apostolischen Briefe.
b. Verbreitung durch das Judentum. Unter den Heiden war
schon früh ein andres Volk verbreitet, das sich in Glauben uud Sitte
wesentlich von denselben unterschied: es waren die Juden (Ap.-Gesch.
15, 21). Sie sollten dem Christentum in der Heidenwelt die ersten
Wege bahnen. Seit der babylonischen Gefangenschaft fand man sie im
ganzen römischen Reiche. Neben das Judentum in Palästina tritt das
Judentum „in der Zerstreuung."
Nach Strabo (f, 25 n. Chr.) war bereits in jede Stadt eine Judenschaft
eingedrungen. In Ägypten bildeten sie 1,8 der Bevölkerung; in der Weltstadt
Alexandrien bewohnten sie von fünf Stadtteilen drei ganz allein. In Rom, wo
sie sieben Synagogen hatten, darf man um Christi Geburt vielleicht 40 000 ^uoen
rechnen; ja selbst in den Donaugegenden hat man einen jüdischen Kirchhof aus
dem ersten Jahrhundert gefunden. Trotz dieser Verbreitung standen alle diese
jüdischen Gemeinden mit der Muttergemeinde in Jerusalem in Verbindung. All-
jährlich schickte der hohe Rat ihnen den Festkalender; Reisebrüder verbanden die
Gemeinden untereinander; das Osterfest versammelte sie im Tempel. lAp.-Gesch.
8, 27.) Die Römer verachteten die Juden. Lächerliche Sagen erzählten, ihre Väter
seien als Aussätzige aus Ägypten vertrieben, sie beteten einen Eselskops an n. s. w.
Aber sie ließen ihnen ihre freie Religionsübung.