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Erstes Buch.
den Zwillingssöhncn des Aristodemos, welche gemeinsam und
auch schon in beständigem Hader geherrscht hatten, und seitdem
sollten beide Geschlechter stets nebeneinander die Negierung
geführt haben. Aber es ist wahrscheinlich, daß dieses Doppel-
tönigthum ursprünglich in Sparta gar nicht bestanden hat. Die
beiden Königsgcschlechter werden nicht nach jenen angeblichen
Zwillingsstammvätern Eurystheniden und Prokliden genannt,
sondern das Geschlecht des Eurysthenes heißt Ägiden, das des
Prokles Eurypontiden, nach Agis und Eurypon, von denen jener
ein Sohn des Eurysthenes, dieser Sohn oder Enkel des Prokles
gewesen sein sollte. Vermuthlich verhielt sich die Sache so,
daß nach dem Aussterben des Geschlechts des Aristodemos jene
beiden hervorragenden Familien um die Königsherrschaft im
Lande rangen und daß Könige aus beiden Häusern je nach dem
Erfolg wechselnd das Scepter führten. Ein solches Verhältniß
mußte zerrüttend auf den Zustand des Staates einwirken, nament¬
lich mußte es unter der dorischen Gemeinde, dem Adel des Lan¬
des, der durch die beständigen Raubkriege gegen das feindliche
Amyklä zu ungefügem Trotz verwildert war, verderbliche Par¬
teiungen erzeugen. So kam es, daß, wie Herodot und Thuky-
dides berichten, der spartanische Staat am längsten von allen
griechischen Staaten durch innere Zwistigkeiten zerrissen war,
daß er bis zur Gesetzgebung des Lykurgos die unordentlichsten
Zustände und schlechtesten Gesetze hatte.
Diesem heillosen Zustande der Unordnung und Schwäche
machte Lykurgos durch seine Gesetzgebung ein Ende und legte
den Grund zu der späteren Größe seines Vaterlandes. Die
Nachrichten über sein Leben sind dürftig und sagenhaft, unzu¬
verlässig uni) oft einander widersprechend. Plutarch sagt im
Anfang seiner Lebensbeschreibung des Lykurg: ,,Ueber den Ge¬
setzgeber Lykurg können wir absolut nichts angeben, was nicht
bestritten werden könnte; wir haben verschiedene Angaben über
sein Geschlecht, seine Reisen, seinen Tod, über seine Gesetzgebung