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Viertes Buch.
Nachdem die demokratische Partei durch solche Maßregeln
beim Volke sich Beifall und Anhang erworben, wagte sie aus
Kimon einen directen Angriff und verklagte ihn, daß er sich bei
seiner Expedition gegen Thasos von dem makedonischen König
habe bestechen lassen (s. S. 243). Perikles selchst wurde zum
öffentlichen Ankläger bestellt. Aber Kimon stand noch zu fest,
er entging leicht der Anklage, welche keine anderen Folgen hatte,
als daß er von der Zeit sich enger mit seinen Gesinnungsgenos¬
sen verband und als Haupt der Aristokratenpartei seine Meinung
freier und offener bei jeder Gelegenheit aussprach, daß die beiden
Parteien sich kampfbereiter seitdem gegenüberstanden. Ein hef¬
tiger Kampf entstand bald in der Volksversammlung, als in
Folge des großen Erdbebens (s. S. 243) und der Empörung der
Heloten und Messenier eine spartanische Gesandtschaft 'nach Athen
kam und um bewaffnete Hülfe bat. Auch diesmal siegte Kimon,
er setzte es durch, daß er mit einem Heere den Spartanern zu
Hülfe geschickt ward. Aber es war wahrscheinlich bei dieser
Abwesenheit des Kimon, daß die Gegenpartei einen entscheiden¬
den Schlag zu ihren Gunsten aus führte, welchen Kimon nicht
abzuwenden vermochte.
Der Rath des Areopags war das Hauptbollwerk der be¬
stehenden Verfassung. Er war zusammengesetzt aus älteren be¬
sonnenen Männern, welche das Archontenamt ohne Tadel bekleidet
hatten und meist den reicheren Klassen angehörten. Sie behiel¬
ten Lebenslang ihre Würde und verwalteten ihr Amt ohne Ver¬
antwortung, während alle anderen Aemter im Staate nur auf
ein Jahr besetzt wurden und einer Controle unterworfen waren.
Zu allen Zeiten hatte dieser hohe Rath als eine altehrwürdige
Einrichtung in großem Ansehen bei der Bürgerschaft gestanden
und gleichsam eine väterliche Obhut über den Staat geübt. Er
hatte eine große Machtvollkommenheit, die oberste Aufsicht über
die Bewahrung der alten Zucht und Sitte, über die Handhabung
der Gesetze, über die Beschlüsse der Volksversammlung, die ohne