Full text: Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht (Theil 3)

Friede zu Paris. Der Hat Humayum. 
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hätte er nach seinem Ermessen den Frieden diktieren können und wäre 
dadurch Schiedsrichter in Europa geworden, wie es Alexander I. in 
Folge des Pariser Friedens von 1814 ward und diese Erbschaft Niko¬ 
laus I. hinterließ. Aber Oesterreich wählte furchtbar gerüstet seine Stel¬ 
lung selbst; die Hälfte der französischen Landmacht blieb an die Krim 
gefesselt, wo sie von dem Feinde und der Cholera gelichtet wurde und 
durch beständigen Nachschub ergänzt werden mußte, wenn sie dem Feinde 
nicht endlich unterliegen sollte; überdies konnte die französische Land- und 
Seemacht auch nicht zu einem kleinen Theile auf Feindeskosten leben, so 
daß ein einziger Mann nach einer nicht hochgegriffenen Berechnung jähr¬ 
lich 5000 Franken kostete. Es ist deßwegen sehr begreiflich, wenn Na¬ 
poleon III. das Friedenswerk Oesterreichs unterstützte und den englischen 
Kriegseifer dämpfte; aber unmittelbar nach dem Friedensschlüsse gab sich 
seine Mißstimmung über die Vereitelung seines großen Planes, nämlich 
Oesterreich und Deutschland gegen Rußland zu gebrauchen, mehrfach 
kund. Er konnte sich jedoch mit dem Gedanken trösten, Oesterreich und 
Rußland gründlich gegen einander verfeindet, die eifersüchtige Empfind¬ 
lichkeit Preußens gegen Oesterreich neu aufgestachelt und dadurch das 
Einverständniß der drei sogenannten nordischen Mächte, welche französi¬ 
schen und englischen Uebergriffen so viele Jahre hindurch Schranken ge¬ 
setzt hatten, gebrochen zu haben. 
Oesterreich entschied den Krieg; der Verlust Sebastopols hätte Ru߬ 
land so wenig gebeugt, als 1793 die Uebergabe Toulons an die Engländer 
die französische Republik zum Frieden nöthigte; als aber Oesterreich, das 
jeden Augenblick 300,000Mann operieren lassen konnte, Rußland kategorisch 
zum Frieden aufforderte und Preußen es dringend zur Nachgibigkeit er¬ 
mahnte, mußte sich das isolierte Rußland zum Frieden bequemen. Alle 
Punkte des Pariser Friedens sind in den wichtigsten Interessen Oesterreichs 
begründet; es ist daher auch der nächste Wächter dieses Friedens und der 
natürliche Gegner Rußlands, sofern dieses erobernd vorschreiten will. 
Englands Ansehen litt durch den orientalischen Krieg sehr; „die 
hölzernen Mauern", die gewaltigen Linienschiffe, durften sich den stei¬ 
nernen von Kronstadt und Sebastopol nicht nahen; das stolze England 
vermochte es nicht ein Heer von 60,000 Mann aus seiner eigenen Be¬ 
völkerung auf die Beine zu bringen und mußte im Ausland werben; 
das Landheer bewies zwar eine heroische Tapferkeit, war aber weder 
so gut geschult noch so gut geleitet als das französische, und die Unord¬ 
nung sowie die Ungeschicklichkeit in der englischen Verpflegung hätte nie¬ 
mand auf dem Kontinente auch nur für möglich gehalten. Da indessen 
England durch die Ausdehnung der russischen Macht sowohl in Asien 
als Europa ernsthaft bedroht ist, so hat es durch das Zurückdrängen der 
russischen Entwürfe dennoch viel gewonnen.
	        
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