72 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rc.
Zungen, denn Rebell und Katholik wurden nun gleichbedeutende Na¬
men. Alle Geistlichen wurden als Hochverräther erklärt, die Bischöfe
in Kerker geworfen, die Messe bei hoher Strafe verboten und 20
Pfund Sterling monatlich auf den Nichtbesuch anglikanischer Kirchen
gesetzt. Diese Verfolgung steigerte sich, als der Zusammenstoß mit
Spanien erfolgte, oder wenn eine Verschwörung gegen die Königin (es
gab wirkliche und erfundene) entdeckt wurde. In den letzten 20 Jahren
ihres Lebens wurden (in England allein) 142 Priester des Glaubens
wegen hingerichtet, 90 Priester und Laien starben im Gefängniß, 105
wurden auf immer verbannt, 62 Laien nicht gemeinen Standes starben
durch den Henker. Noch schauerlicher ging es in Irland her; die Ir¬
länder konnten Religion und Nationalität nicht von einander trennen,
denn ihre Unterjocher waren Engländer und Protestanten; fochten sie
von jetzt an für ihre Religion, so war es zugleich ein Kampf für ihre
Freiheit. Irland wurde dadurch zum Lande der Verzweiflung, des
Bürgerkriegs, der Verschwörung, des Mords und der Mordbrennerei;
zu Elisabeths Zeit und auf ihren Befehl wurden die katholischen Priester
getödtet, wie man ein wildes Thier tödtet, wo man dasselbe trifft.
Auch die Kalvinisten waren nicht in der königlichen Gnade; in England
wurden sie Puritaner geheißen, weil sie das Christenthum von allen
menschlichen Beisätzen reinigen wollten, und zu diesen gehörte auch die
königliche Obergewalt über die Kirche, das Episkopalsystem, die Cere-
monien, die Kleidung der Geistlichen u. s. w. Die Puritaner verstießen
also gegen die königliche Autorität, welche die Königin kaum geringer
anschlug als ihr Vater; doch wurden die Puritaner nur mit Geld und
Gefängniß bestraft. Auch den anglikanischen Klerus ließ Elisabeth nicht
von der Leine; gleich bei ihrem Regierungsantritte, als die anglikanische
Kirche wieder neu zu schaffen war, legte sie demselben allgemeines
Stillschweigen auf und erlaubte ihm erst wieder zu predigen, als die
Kirche durch sie und ihre Räthe fir und fertig dastand. Nur im Aus¬
lande galt es ihr gleich viel, wie sich der Protestantismus gestaltete, ob
kalvinisch oder wiedertäuferisch, sie benutzte ihn, so wie er war, gegen
die ihr feindlichen katholischen Monarchen.
Me Reformation in Schottland. Maria Stuart.
Auch war es eigentlich sie, welche nach Schottland die Flamme
des Bürger- und Neligionskrieges warf. Die Reformation fand dort
aus denselben Gründen wie anderwärts großen Anklang, und wie in
andern Ländern wurde sie Aushängeschild für politische Zwecke. Die
Regentin Maria von Guise (Mutter der Maria Stuart, welche in
Frankreich erzogen und dem Dauphin Franz verlobt wurde) erhielt über
die Reformation und die Aufstände, welche von Adeligen und Predigern