Karl Y. Luther in Worms. 
19 
an den Kurfürsten, er möge doch auch kommen und den Luther 
mitbringen, damit dessen Sache da verhandelt würde. Der Kur¬ 
fürst meinte es schon damals mit dem frommen Luther herzlich 
gut, und schrieb daher zurück, man möchte ihn damit verschonen. 
Als er aber Luthern fragte, ob er wohl nach Worms gehen würde, 
wenn ihn der Kaiser dahin entböte, so antwortete dieser: „Wenn 
ich berufen werde, will ich, so viel an mir ist, mich ehe krank hin¬ 
führen lassen, falls ich nicht gesund kommen könnte; denn es ist 
nicht zu zweifeln, daß ich von Gott berufen werde, so mich der 
Kaiser beruft. Wollen sie die Sache mit Gewalt handeln, wie 
es scheint, so ist die Sache Gott zu befehlen. Der lebet und 
herrschet noch, welcher die drei Männer im feurigen Ofen erhalten. 
Will er aber mich nicht erhalten, ist's um meinen Kops eine gar 
, schlechte Sache, wenn selbiger gegen Christum gehalten wird, der 
mit höchster Schmach getödtet worden. Hier habt ihr meinen Rath 
und Meinung. Versehet euch zu mir Alles, nur nicht, daß ich 
fliehen oder widerrufen werde. Fliehen will ich nicht, widerrufen 
aber viel weniger, so wahr mich mein Herr Jesus stärket; denn 
ich kann keines ohne Gefahr der Gottseligkeit und Vieler Selig¬ 
keit thun!" Endlich wurde ihm beim Kaiser ein sicheres Geleit 
ausgewirkt, und er erhielt zugleich die Citation des Kaisers, 
binnen 21 Tagen nach Worms zu kommen, mit der Aufschrift: 
„Dem ehrsamen, unserm lieben, andächtigen D. Martin Luther, 
Augustinerordens." Wie oft sprechen und schreiben die Menschen 
doch so ganz anders als sie denken und empfinden! — Als er 
abreiste, umarmte er noch einmal seinen Freund Melanchthon. 
„Komme ich nicht wieder," sprach er, „und morden mich meine 
Feinde, so beschwöre ich dich, lieber Bruder: laß nicht ab, zu 
lehren und bei der Wahrheit zu verharren. Arbeite unterdessen 
zugleich für mich, weil ich nicht hier sein kann. Du kannst es 
noch besser machen. Daher ist auch nicht viel Schade um mich; 
bleibst du doch da. In dir hat der Herr einen noch gelehrtern 
Streiter." 
So machte sich Luther in anständiger Begleitung nach Worms 
auf den Weg, auf einem Wagen, den ihm der wittenbergische 
Magistrat dazu geschenkt hatte. Wohin er unterwegs kam, wel¬ 
cher Zusammenlaus! Meilenweit lief das Volk herbei, den Mann 
zu sehen, der dreist dem Papste widersprochen hatte. Alle staunten 
ihn wie einen Wundermann an und suchten sich seine Züge fest 
einzuprägen. Als er Erfurt, seinem geliebten Erfurt, sich näherte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.